Ein Manager für die Revolution

Wissen Sie, wer Ghassan Hitto ist?“ Dies fragt die Nachrichtenseite gulfnews.com in der Überschrift eines Artikels über die Wahl des 50-Jährigen zum syrischen Interimsregierungschef durch das Oppositionsbündnis Nationale Koalition auf einem Treffen in Istanbul. Hitto gehört sicher nicht zu den bekanntesten langjährigen syrischen Oppositionellen, wurde aber im Vorfeld zu den aussichtsreichen Kandidaten gezählt. Wie die meisten seiner Konkurrenten gilt der US-Bürger als Technokrat, der zuletzt als IT-Fachmann und Manager in Texas arbeitete, bis er sich ganz der Unterstützung der syrischen Revolution verschrieb.

Hitto wurde 1963 in Damaskus geboren, hat kurdische Vorfahren und ist Sunnit. Er verließ Syrien Anfang der achtziger Jahre, um in den USA Mathematik und Informatik zu studieren. Er ist mit einer Lehrerin verheiratet und hat vier Kinder. Sein Sohn Obaida setzte sich im Alter von 25 Jahren nach Syrien ab, wo er sich den Rebellen anschloss, Videos drehte und humanitäre Hilfe organisierte.

Sein Vater Ghassan war in den USA jahrzehntelang in mehreren zivilgesellschaftlichen Zusammenhängen aktiv. Er engagierte sich in Texas für eine islamische Schule, arbeitete in einer Organisation mit, die gegen die Diskriminierung von Arabern, Muslimen und Asiaten kämpfte, und war zuletzt Vorstandsmitglied der Dachorganisation syrischer Amerikaner. Seit Beginn der syrischen Revolution 2011 verfolgte er die Entwicklungen in seiner alten Heimat und reiste im November vergangen Jahres in den Nahen Osten, um sich die Lage aus der Nähe anzusehen. Er kehrte nicht in die USA zurück und lebt heute in der Türkei, wo er zuletzt Leiter der humanitären Abteilung der Nationalen Koalition war.

Nach seiner Wahl sprach er sich gegen Verhandlungen mit dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad aus und betonte, er halte im Kampf gegen das Regime jedes Mittel für angemessen. Bei der Regierungsbildung will er nicht auf den politischem Proporz achten, sondern die Minister nach ihren Fähigkeiten auswählen. Hitto gilt als Kompromisskandidat, der sowohl von Islamisten als auch von Liberalen gewählt wurde. BEATE SEEL