Zerren um die Ukraine: Russland lockt mit neuen Abkommen

Putin und Janukowitsch wollen ihre Zusammenarbeit bei einem Treffen am Dienstag stärken. In der Regierungspartei wird eine Kabinettsumbildung erwogen.

Am Sonntag in Kiew: Pro-Europa-Demonstranten mit Pappmaché-Janukowitsch. Bild: dpa

MOSKAU/KIEW/BRÜSSEL dpa/afp/rtr | Ungeachtet der prowestlichen Proteste in Kiew wollen Kremlchef Wladimir Putin und der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch ihre Zusammenarbeit mit mehreren Abkommen stärken. Ein dickes Paket an Dokumenten liege für die russisch-ukrainischen Regierungskonsultationen an diesem Dienstag in Moskau bereit, teilte der Kreml mit. Janukowitsch hofft nach seiner Abkehr von der EU dringend auf Finanzhilfen sowie Rabatte für russische Gaslieferungen, um die Ex-Sowjetrepublik vor dem Bankrott zu retten.

Die geplante engere Partnerschaft mit Russland und Janukowitschs Verzicht auf eine EU-Partnerschaft sind die Auslöser für die seit Wochen andauernden Proteste von Regierungsgegnern in der Ukraine. Wegen dringend nötiger Milliardenhilfen verhandelt das verarmte Land mit seinen mehr als 45 Millionen Einwohnern mit der EU und mit Russland.

„Die Ukraine kann ohne einen Kredit von dieser oder jener Seite keine wirtschaftliche Stabilität garantieren“, sagte Putins Wirtschaftsberater Andrej Beloussow am Montag. Er schloss die Bewilligung eines solchen Kredits nicht aus.

Beloussow warb erneut eindringlich für einen Beitritt der Ukraine zu einer von Russland angeführten Zollunion. Dies bringe dem Land viele Vorteile. So erhöhe sich automatisch der Zollschutz vieler Produkte wie etwa im Maschinenbau und in der Chemie, sagte der frühere Wirtschaftsminister. Die Regierung in Kiew lehnt einen Beitritt bislang ab.

Nach Kremlangaben sollen im Beisein von Putin und Janukowitsch in Moskau Projekte in der Energie- und in der Agrarwirtschaft sowie im Verkehr und in der Raumfahrt auf den Weg gebracht werden. Russland hatte der Ukraine dies als Alternative für den Verzicht auf eine Partnerschaft mit der EU angeboten.

Abgeordnete der Mehrheit fordern Regierungsumbildung

Angesichts der Oppositionsproteste in der Ukraine haben Abgeordnete der Regierungspartei von Ministerpräsident Mykola Asarow eine umfassende Regierungsumbildung gefordert. „90 Prozent“ der Regierung müssten ausgetauscht werden, sagte die Abgeordnete Anna German am Montag nach einem Treffen von Fraktionsmitgliedern der Partei der Regionen mit Asarow. Asarow habe zugesichert, Präsident Viktor Janukowitsch über die „Position der Fraktion“ in Kenntnis zu setzen. Ein Rücktritt Asarows sei bei dem Treffen hinter verschlossenen Türen nicht erörtert worden.

Die Ukraine ist seit drei Wochen Schauplatz massiver Anti-Regierungsproteste, seitdem Kiew auf Druck Russlands die Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der EU gestoppt hat. Großen Zulauf hatte der Protestbewegung ein brutaler Polizeieinsatz gegen die Demonstranten auf dem Unabhängigkeitsplatz Ende November verschafft.

Entgegen anderslautender Signale aus der EU-Kommission haben die EU-Außenminister am Montag ihr Gesprächsangebot an die Ukraine erneuert. Die Tür für die Ukraine zur Europäischen Union stehe weiter offen, sagte der scheidende Bundesaußenminister Guido Westerwelle am Montag vor dem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen in Brüssel. „Wir sind natürlich daran interessiert, dass die Ukraine das Assoziierungsabkommen unterzeichnet. Dafür gibt es noch immer eine gewisse Hoffnung.“

EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle hatte am Sonntag auf Twitter erklärt, die Verhandlungen über eine Annäherung auszusetzen. Die Gespräche könnten nur fortgesetzt werden, wenn die Regierung in Kiew das Abkommen auch unterschreiben wolle. Der niederländische Außenminister Frans Timmermans kritisierte Füle: „Politik zu machen auf der Basis eines Twitter-Eintrags von Herrn Füle ist vielleicht nicht der beste Weg, die Sache vorzubringen.“ Aus niederländischer Sicht gebe es keinen Grund, die Gespräche mit der Ukraine auszusetzen.

An den Gesprächen in Brüssel nahm auch der russische Außenminister Sergej Lawrow teil. Die Regierung in Moskau lehnt den bisherigen Westkurs der früheren Sowjetrepublik ab. Westerwelle betonte, dass Russland trotz der aktuellen Meinungsverschiedenheiten ein strategischer Partner bleibe. „Auch wenn wir nicht alles so sehen wie Russland ist es wichtig, dass der Dialog fortgesetzt wird.“

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