Guantánamo-Häftlinge klagen: Polen als Handlanger der CIA

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte prüft Vorwürfe von zwei Guantánamo-Häftlingen gegen Polen. Die Regierung habe CIA-Folter geduldet.

Protestaktion gegen das Gefangenenlager Guantanamo. Bild: dpa

FREIBURG taz | Polens Regierungsvertretern ist der Prozess spürbar unangenehm: Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte müssen sie sich seit Dienstag rechtfertigen, weil der US-Geheimdienst CIA zeitweise ein Geheimgefängnis auf polnischem Boden unterhielt, in dem Terrorverdächtige gefoltert wurden. Es ist der erste derartige Prozess in Europa

Gegen Polen geklagt haben zwei Männer: Der aus Saudi-Arabien stammende Abd al-Rahim al-Nashiri soll im Jahr 2000 am Angriff der Terrororganisation al-Qaida auf das US-Schiff „USS Cole“ im Jemen beteiligt gewesen sein. Er wurde in Dubai gefasst und kam über Thailand im September 2002 nach Polen.

Der andere Kläger, ein staatenloser Palästinenser, wird Abu Zubaydah genannt. Er wurde in Pakistan festgenommen und kam – ebenfalls über Thailand – im September 2002 nach Polen.

Beide Männer wurden rund neun Monate in einem CIA-Stützpunkt im nordpolnischen Dorf Stare Kiejkuty festgehalten. Das Gelände gehörte eigentlich dem polnischen Geheimdienst, der es auf Grundlage eines Abkommens der CIA überließ.

83 Mal Waterboarding

Die CIA-Häftlinge wurden dort mit „erweiterten Befragungstechniken“ misshandelt: Sie erlebten Scheinexekutionen und man drohte ihnen damit, dass Angehörige vergewaltigt würden. Abu Zubaydah allein musste 83 Mal das sogenannte Waterboarding erleiden, wobei der Kopf bis kurz vor dem Ertrinken unter Wasser getaucht wird. Später wurden die Männer an andere Geheimgefängnisse überstellt, wo sich die Torturen wiederholten.

Heute sitzen beide im US-Militärgefängnis Guantánamo ein. Ein Prozess gegen al-Nashiri vor einer amerikanischen Militärkommission soll im September 2014 beginnen. Gegen Abu Zubaydah werden keine konkreten Vorwürfe mehr erhoben. Die Kläger konnten nicht nach Straßburg kommen. Sie werden aber von internationalen NGOs unterstützt.

Seit 2005 ist die Existenz des polnischen Geheimgefängnisses bekannt, seit 2008 läuft in Polen eine Untersuchung. Weil es dort aber nicht voranging, erhoben die Männer Beschwerde beim Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Dabei werden Polen drei Verstöße gegen die europäischen Menschenrechte vorgeworfen: Erstens habe Polen die CIA-Folter wissentlich geduldet.

Zweitens habe Polen die Verbringung der Männer in andere Geheimgefängnisse nicht verhindert. Drittens würden die Vorwürfe in Polen nicht wirksam aufgeklärt.

Staatsanwalt zweimal ausgetauscht

Der polnische Regierungsvertreter wollte die Anschuldigungen in Straßburg „weder bestätigen noch dementieren“. Die Untersuchung in Polen laufe noch, eine Behandlung in Straßburg sei deshalb „verfrüht“. Vor allem aber gefährde ein öffentlicher Prozess in Straßburg die „vertraulichen“ Ermittlungen der polnischen Staatsanwaltschaft.

Die polnischen Anwälte der beiden Kläger bezeichneten die Untersuchungen in ihrem Land als „völlig ineffizient“. Seit Jahren gehe es nicht voran. Zweimal schon sei der zuständige Staatsanwalt ausgetauscht worden – „immer wenn es Versuche gab, etwas Transparenz zu schaffen“, sagte Anwalt Mikolaj Pietrzak.

Auch in Straßburg wollte die polnische Regierung die Öffentlichkeit ausschließen, was das Gericht ablehnte. Als Kompromiss fand am Vortag des Prozesses (Montag) ein nichtöffentliches Hearing mit Experten und Zeugen statt, die wohl durchgängig die Vorwürfe bestätigten. Mit einem Urteil ist in einigen Monaten zu rechnen.

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