Umstrittener Frei.Wild-Song: Index kann sein

Die Band Frei.Wild landet erstmal nicht auf der Liste jugendgefährdender Schriften. Es ging um den Text eines Songs aus dem Jahr 2002.

„Eines Tages“ ... wird es auch Frei.Wild nicht mehr geben. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Südtiroler Band Frei.Wild entgeht vorerst dem Index. Am Dienstag teilte die Bundesprüfstelle für Jugendgefährdende Medien (BPjM) mit, dass das Verfahren zu einem Songtext der Südtiroler Deutschrock-Band zunächst ausgesetzt werde. Thüringens Sozialministerin Heike Taubert (SPD) hatte zuvor die Überprüfung des Frei.Wild-Textes „Rache muss sein“ beantragt.

Die Begründung der Bonner Prüfstelle ist, dass die vom Sozialministerium genannten Websites und URLs nicht mehr abrufbar seien – Frei.Wild hatten in der Zwischenzeit den Songtext von der bandeigenen Seite entfernt. Auf der Homepage des Labels Rookies and Kings hingegen findet sich der Text noch. Im Netz ist der Song, den die Band im Jahr 2002 auf dem Album „Eines Tages“ veröffentlichte, derzeit via Youtube nicht mehr erreichbar – lange Zeit war das anders.

In dem Songtext zu „Rache muss sein“ wird das Niedertreten eines Gegners bei einer Prügelei glorifiziert. („Das Blut auf meinen Fäusten / Ich find das steht mir gut / (...) Ich fang an zu lachen, (jahaha) Seh dein entstelltes Gesicht“). Nicht nur auf der Labelseite, auch auf diversen Songlyrics-Seiten sind die Zeilen noch zu finden.

Die Band Frei.Wild ist für hymnischen, rechtsoffenen Deutschrock mit völkischen bis patriotischen Inhalten bekannt. Die öffentliche Kritik sorgte dafür, dass ihre Nominierung für den Echo-Preis im Frühjahr dieses Jahres zurückgenommen wurde. Die Band um Sänger Philipp Burger hat sich inzwischen vom Song „Rache muss sein“ distanziert, indem sie ihn von der Homepage nahm. Eine solche mediale Distanzierungsstrategie hat man im Fall Frei.Wild jedoch schon oft erlebt.

„Wenn ein neuer Antrag gestellt wird und wir Hinweise bekommen, dass der Songtext weiterhin zu finden ist, werden wir selbstverständlich wieder tätig“, sagte BPjM-Vorsitzende Elke Monssen-Engberding am Dienstag gegenüber der taz. „Wir dürfen ohne Antrag nicht tätig werden.“

100 Prozent arisch?

Das gesamte Album „Eines Tages“, das 2009 neu aufgelegt wurde, ist bei Amazon und im Frei.Wild-Shop inklusive des Songs erhältlich. Bei iTunes und musicload hingegen gibt es das Album ohne besagten Song zum Download.

Es scheint also nur eine Frage der Zeit bis zur nächsten Prüfung. Uwe Büchner, Sprecher von Sozialministerin Taubert, sagte: „Wir müssen nun gucken, wie wir weiter vorgehen werden. Wir finden nach wie vor, dass der Song prüfenswert ist. Der Text ist in der Welt, die Sache hat sich ja nicht erledigt.“

Die Einstellung des Verfahrens wirft auch die Frage nach der zeitgemäßen Arbeitsweise der Bundesprüfstelle auf: Googeln hätte genügt, um den Text zu finden. Monssen-Engberding bestätigte derweil, dass es sich bei dem Prüfantrag ausschließlich um den einen Song gehandelt habe.

Das Video zum Frei.Wild-Song „Halt Deine Schnauze“ – ein Video mit ähnlichem Impetus – gibt es hingegen weiterhin auf Youtube zu sehen. Auch dabei tritt ein junger, kahlköpfiger Mann, der in bewährter Frei.Wild-Manier zum Opfer der Gesellschaft stilisiert wird, auf sein Gegenüber ein – weil der eben „provoziert“ habe. In dem Video ist auch für einen kurzen Augenblick ein 100%-Tattoo auf dem Hinterkopf eines Skinheads zu sehen – ein Zugeständnis an Nazis, die sie als „100% arisch“-Tätowierung auslegen können.

Der Antrag des thüringischen Sozialministeriums war durch den Autor Thomas Kuban zustande gekommen, der für den Film und das Buch „Blut muss fließen“ in der rechtsextremen Szene recherchiert sich dabei intensiv mit Frei.Wild beschäftigt hat. Er fragte bei zahlreichen Ministerien zwecks Prüfung der Texte an und hatte in Thüringen Erfolg. Als absurd bezeichnet er nun den Grund zur Einstellung des Verfahrens.

Von Frei.Wild findet sich bisher kein Song auf der Liste jugendgefährdender Schriften (Index). Landet ein Song auf dem Index, so darf er laut Gesetz nicht im Handel vertrieben werden oder „an einem Ort, der Kindern oder Jugendlichen zugänglich ist oder von ihnen eingesehen werden kann, ausgestellt, angeschlagen, vorgeführt oder sonst zugänglich gemacht werden“.

Dieser Passus aus dem Bundesgesetz gilt für die haptischen Medien („Trägermedien“). Bei den Telemedien, wozu Netzinhalte zählen, fallen die rechtlichen Konsequenzen in den Zuständigkeitsbereich der Länder. Von Frei.Wild war vorerst keine Stellungnahme zu erhalten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.