Kommentar Transparency-Ranking: Korruption fühlt man nicht

Die Wahrnehmung der Korruption ist nur begrenzt erhellend. Die Liste von Transparency kann echte Transparenz nicht ersetzen.

Was passiert, wenn Korruption allein am Empfinden gemessen wird, zeigt der jährliche Index von Transparency International Bild: dpa

Ein korrupter Staat kann sich nicht entwickeln. Zwar werden wenige Oligarchen reich – aber der große Rest der Bevölkerung verliert. Insofern ist es jedes Jahr wieder interessant, wenn Transparency International eine Übersicht darüber veröffentlicht, für wie korrupt die Bevölkerung ihre jeweilige Regierung hält. Allerdings wird nur die Wahrnehmung gemessen – nicht die Korruption selbst.

Dies führt zu bemerkenswerten Verzerrungen, wie sich sehr gut an verschiedenen europäischen Krisenländern studieren lässt. Beispiel Island: Die Insel liegt gleichauf mit Deutschland auf Platz 12. Offenbar haben die Isländer schon wieder vergessen, dass ein korruptes Geflecht aus Banken, Immobilienspekulanten und Politikern den Inselstaat 2008 faktisch ruiniert hat.

Auch Irland schneidet erstaunlich gut ab – und liegt immerhin auf Platz 21. Dabei haben irische Journalisten wie Fintan O’Toole akribisch nachgewiesen, dass in einer engen korrupten Zusammenarbeit Regierung, Banken und Baufirmen das Land in die Krise getrieben haben. Doch offenbar verdrängen viele Iren lieber, wie energisch sich die oberste Klasse selbst bereichert hat.

Eine realistische Selbsteinschätzung scheint also eher selten zu sein – und findet sich ausgerechnet bei den Griechen. Sie machen sich überhaupt keine Illusionen und sehen sich selbst als Entwicklungsland. Mit Platz 80 auf der Rangliste liegen die Griechen weit hinter Namibia, Kuba oder Ghana. Dies erscheint schon fast wieder übertrieben selbstkritisch.

Die Wahrnehmung der Korruption ist also nur begrenzt erhellend. Die Liste kann nicht ersetzen, was eigentlich gebraucht wird: echte Transparenz. Also unbegrenzte Akteneinsicht – und ein sehr begrenztes Bankgeheimnis.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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