Burka-Verbot vor dem EGMR: In Würde verschleiert

Ist es diskriminierend, die Burka zu verbieten – oder sie zu tragen? Vor dem EGMR kamen Anwälte der französischen Regierung und eine Muslimin zu Wort.

Eine Frau in Burka besucht die Ausstellung „Burquoi“ in Wiesbaden. Bild: dpa

STRASSBURG taz | „In Frankreich kann jeder anziehen, was er will – nur extreme Kleidung ist verboten“, betonte die französische Regierungsvertreterin vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Das Gericht verhandelte am Mittwoch über das in Frankreich geltende Burka-Verbot.

Seit 2011 ist es in Frankreich untersagt, in der Öffentlichkeit Kleidungsstücke zu tragen, die das Gesicht verhüllen. Gemeint sind damit zum Beispiel die in Afghanistan üblichen Burkas, bei denen auf Augenhöhe ein Stoffgitter sitzt, oder der aus Saudi-Arabien stammende Niqab, der für die Augen einen Schlitz freilässt. Ausnahmeregelungen gibt es für Motorradhelme und Karnevalsmasken. Dieses Gesetz war in der Pariser Nationalversammlung mit nur einer Gegenstimme beschlossen worden.

Betroffen sind allerdings nur rund 2.000 Frauen in Frankreich. Das normale islamische Kopftuch ist nicht verboten, weil es das Gesicht freilässt. Wer gegen das Gesetz verstößt, muss 150 Euro Bußgeld bezahlen oder einen Staatsbürgerkurs besuchen. Wer andere zwingt, sein Gesicht zu verhüllen, kann sogar ins Gefängnis kommen. Bisher sind 700-mal Bußgelder verhängt worden. Der Pariser Geschäftsmann Rachid Nekkaz hat sich bereit erklärt, alle zu bezahlen.

Gegen das Gesetz hat eine 23-jährige Juristin geklagt. Sie ist Muslimin und französische Staatsbürgerin mit pakistanischem Hintergrund. Sie betont, sie werde weder von ihrem Ehemann noch von ihrer Familie gezwungen, sich zu verhüllen. Sie mache es auch nicht systematisch, sondern nur, wenn ihr danach ist. Sie argumentiert also weniger mit religiösen Gründen, sondern vor allem mit ihrer persönlichen Selbstbestimmung. Die junge Frau nahm nicht an der Verhandlung teil, angeblich aus Angst vor Feindseligkeiten, die ihr in Frankreich drohen könnten. Sie ließ sich durch zwei englische Anwälte vertreten.

Religiöse Diskriminierung

„Mit Schleier kann man nun nicht mehr das Haus verlassen“, argumentiert Anwalt Ramby De Mello, „die betroffenen Frauen sind Gefangene im eigenen Haus.“ Da nur muslimische Frauen von dem Verbot betroffen sind, handle es sich um eine religiöse Diskriminierung. Beides verstoße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.

„Das Gesicht zu zeigen ist eine Grundbedingung des menschlichen Zusammenlebens“, erklärte dagegen die französische Vertreterin Edvige Belliard. Sie begründete die Regelung mit der Würde des Menschen, die verletzt sei, wenn jemand in der Öffentlichkeit hinter einem Schleier verschwinde. Auch die Gleichheit der Geschlechter sei verletzt, wenn Frauen sich so kleideten. Außerdem berief sie sich auf Gründe der öffentlichen Sicherheit, weil der Schleier Personenkontrollen erschwere.

Der Richter André Potocki fragte: „Kann eine freiwillige Handlung überhaupt die Würde des Menschen verletzen?“ Belliard antwortete, sie glaube nicht, dass Frauen sich freiwillig verschleiern. Sie konnte als Beleg allerdings nur einen konkreten Fall von Zwang anführen. Andere Richter zweifelten an der Verhältnismäßigkeit des französischen Verbots.

Ausnahmen für die Polizei

Die Anwälte der Klägerin deuteten Kompromissbereitschaft an. Sie sei bereit, der Polizei ihr Gesicht zu zeigen, wenn dies erforderlich sei, etwa auf der Suche nach einem Räuber. Auch könne sie einen transparenten Schleier tragen. Das Urteil wird in einigen Monaten verkündet.

Der Prozess hat europäische Bedeutung, da es seit 2011 auch in Belgien ein vergleichbares Gesetz gibt. Im September stimmten zudem im Schweizer Kanton Tessin 65 Prozent für ein Verhüllungsverbot. In Italien und den Niederlanden wurde darüber diskutiert. In Deutschland ist nur die Vermummung bei Demonstrationen verboten.

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