Mode im Fernsehen: Schneider den Punk

Die Castingshow „Fashion Hero“ bildet eine eigene Welt ab. Umso besser, sie sich zusammen mit einer Berlinerin Modedesignerin anzuschauen.

So hätte es mit dem Punk vielleicht gehen können. Bild: ap

BERLIN taz | Mitten in der fünften Folge kann auch Claudia Schiffer nicht mehr an sich halten. Soeben wurden die Zwillingsschwestern Jila und Jale Pashottan von der Jury übel abgestraft. Etwas Verspieltes, Romantisches hatten die beiden Jungdesignerinnen entwerfen sollen, obwohl ihre Mode doch sonst so „lässig, cool und edgy“ ist.

Das weiße Spitzenkleidchen mit dem bauschigen Rock, das ihr Model präsentierte – es konnte die EinkäuferInnen von Asos, S. Oliver und Karstadt nicht überzeugen. Keines der drei Modehäuser, das bei Fashion Hero, über Gedeih und Verderb der Designer-KandidatInnen entscheiden, machte ein Kaufangebot – und das, obwohl die Zwillingsschwestern in den ersten vier Folgen der Sendung zu den Shootingstars gehört hatten.

Während also bei einer der beiden Schwestern – Jila? Jale? Man weiß es nicht – bereits die Schultern erzittern, steht auch Claudia Schiffer auf, zupft, wie stets, wenn sie sich aus ihrem drehbaren Schalensessel erhebt, das hautenge Kleidchen glatt und stakst auf langen, dünnen Modelbeinen auf die Bühne. Dort drückt sie die weinende Schwester beherzt an sich und kann nicht umhin, sich selbst die Augen mit den manikürten Fingern abzutupfen, auf dass die Wimperntusche nicht verläuft.

Sie ist, das merkt man an dieser Szene nicht zuletzt, keine eiskalt durchkalkulierte Grusel-Heidi Klum, die sonst den Markt der Laufsteg-Castingshows im Reality TV-Format beherrscht. Im Gegensatz zu der Macherin von Germanys Next Topmodel und der US-amerikanischen Show Projekt Runway, deren Konzept vermutlich Pate stand für das neue Pro Sieben Format, ist Ex-Supermodel Schiffer, von der man bislang wenig mehr kannte, als wunderschöne Bilder eines makellosen, blonden Engels, erstaunlich sympathisch.

Das andere Gesicht des Engels

Dennoch, auch bei Fashion Hero findet man sich wieder, in einer jener Sendungen, die sich darauf spezialisiert hat, schöne, junge Menschen vor große Aufgaben zu stellen, an denen einige von ihnen wohl oder übel scheitern müssen und die dann, wenn das Scheitern offenbar wird, den Comeshot auf die Tränendrüse perfektioniert haben.

Melancholisches Klaviergeklimper, klagender Gesang und Bilder in Slow Motion zögern den Moment der Niederlage künstlich hinaus, so dass ihn die ZuscherInnen daheim vor dem Fernseher auskosten können, nur um sich im nächsten Moment wieder mit einem der anderen Kandidaten zu erfreuen. Welche köstlich bitter-süße Gefühlsachterbahn!

Noch etwas aber ist anders bei Fashion Hero. Im Gegensatz zu Heidi Klums Wanna be-Models, die darauf getrimmt werden, möglichst klaglos das zu tun, was man ihnen sagt, können die KandidatInnen von Fashion Hero schon etwas und sind da, um dieses Können unter Beweis zu stellen. Sie sind Modedesigner und als solche müssen sie sich in der Show von Aufgabe zu Aufgabe und unter Zeitdruck profilieren.

Es bestimmen die Einkäufer

Claudia Schiffer, ebenso wie Modekommunikationschoach Ute Huesch und Sytlist und Modeberater Sascha Lilics sind so genannte „Mentoren“, die den DesignerInnen die Aufgaben stellen, Tipps bei der Umsetzung geben und am Ende im „Fashion Showdown“ jeweils zwei KandidatInnen vor dem endgültigen Ausscheiden retten können. Die wahre Jury jedoch, sind die Einkäufer der Modehäuser, die bei Gefallen um die Designs bieten und diese durch die Show bereits gut beworben verkaufen können.

Eine, die beinahe selbst bei Fashion Hero teilgenommen hätte, ist Harryet Lang. Die 37-jährige Schweizerin, die in Berlin ihr eigenes Label betreibt, war von der Produktionsfirma zum Casting eingeladen worden. Nun bittet sie auf ein paar Berliner Pilsener und eine Schachtel Cabinet zum Gucken in ihre Kreuzberger Wohnung. „Als erstes mussten wir unterschreiben, dass nichts von dem, was beim Casting passiert, nach draußen geht“, erinnert sich Lang. Dann hält sie kurz inne und überlegt, ob sie dieses Gespräch überhaupt führen darf.

„Ach, jetzt, wo die Sendung schon läuft“, sagt sie und winkt ab. Drei Teile ihrer Männerkollektion nahm sie mit in ein schickes Hotel nach Düsseldorf, zog einer Puppe das mitgebrachte Outfit aus Hose, Hemd und Gehrock an und durfte sich anschließend einer vierköpfigen Jury erklären. Anschließend folgte ein Gespräch mit der Produktionsleitung.

„Da war ich dann skeptisch“, sagt Lang. „Alles, was Pro Sieben betraf, war juristisch klar definiert. Immer wenn es um uns ging, wurde es schwammig.“ Wer an der Show teilnimmt, musste zusichern, während dieser Zeit nicht anderweitig tätig zu sein und unterschreiben, dass die in der Show entworfenen Stücke dem Sender gehören. Wie viel die Designer letztlich von dem Geld bekommen, das die Modehäuser bei der Ersteigerung bieten, ist nicht klar – immerhin zwischen 50.000 und 500.000 Euro.

„Wir versuchen darauf zu achten“

„Wenn es um diese Fragen ging, haben sich die Leute von der Produktionsfirma gewunden“, erinnert sich Lang. Auch von ihr gestellte Bedingungen wurden eher weggelächelt als ernstgenommen. „Ich wollte zum Beispiel auf keinen Fall, dass meine Sachen in Indien oder anderswo von Billiglohnarbeitern produziert werden und habe das auch gesagt.“ – „Wir versuchen darauf zu achten“, war die vage Antwort. Einen Monat später bekam Harryet Lang eine Absage. Warum sie nicht genommen worden war, stand nicht dabei. Heute ist sie nicht entschieden, ob sie darüber froh oder traurig sein soll.

„Karrieremäßig wäre es bestimmt super gewesen“, sagt die 37-Jährige und nimmt einen Schluck Bier aus der Flasche, während das Küken der Sendung, Jungdesigner Riccardo „Ricci“ Serravalle, auf dem Bildschirm aufgeregt durchs „Designloft“ ruschelt und nicht so recht weiß, wie er mit der ihm gestellten Aufgabe „Punk“ umgehen soll. „Ich hätte es interessant gefunden, mich mit anderen zu messen“, sagt Lang. „Und es wäre spannend gewesen, zu sehen, wie ich mit dem Zeitdruck und den gestellten Aufgaben, zurechtgekommen wäre. Zu wissen, dass man auch etwas schafft, das einem nicht so liegt, macht Dich als Designer sicher.“

Der 19-Jährige Riccardo Serravalle, der sonst vor allem elegante Abendmode für Frauen mit Grandezza entwirft, versagt am „Punk“ kläglich. Zu viel Karomuster, zu viele Nieten, zu viel Klischee. Auch Harryet Lang ist nicht sonderlich angetan und zuckt abschätzig mit den Schultern. Am Ende heißt es für Serravalle drei Mal „No Offer“ von den Einkäufern, untermalt von einem akustischen Zonk. Nun muss er wie alle anderen, die nichts verkaufen, in den so genannten „Fashion Showdown“.

Mode in 30 Minuten

Dort gilt es in 30 Minuten einen Ostfriesennerz, eine Regenjacke aus Plastik also, in ein „It-Piece“ zu verwandeln, das die Mentoren am Ende zur Gnade bewegt. Ganz anders bei //www.marcelostertag.com/:Marcel Ostertag, der in der Show wegen seiner Erfahrung als alter Design-Hase gilt. Der 33-Jährige Münchner hat sich eigentlich schon längst einen Namen gemacht. Sein Label präsentierte er bereits in London, Shanghai und auf der Fashion Week in Berlin. „Was er macht, finde ich immer ziemlich geil“, sagt Lang und lobt die Männermode-Entwürfe, die er wenig später auf dem Laufsteg präsentiert.

Normalerweise entwirft Ostertag ausschließlich Frauen-Couture. Nun aber tragen die beiden Malemodels Anzughosen und Hemden in rot, weiß und schwarz, kombiniert mit einem goldenen Blouson mit Ethno-Muster-Applikationen und Trenchcoat durchs Scheinwerfer- und Beat-Stakkato. „Prinz aus Zamunda“, sagt Harryet Lang erfreut und meint das als Kompliment. Doch auch bei Ostertags Entwürfen lehnen die Einkäufer der Modehäuser ab.

„Ich könnte eine ganz kleine Menge für den modischen Kunden in Berlin kaufen“, erklärt Karstadt-Manager André Maeder, der auch schon das Londoner Luxus-Kaufhaus Harrots geleitet hat. „Aber wenn es um die großen Stückzahlen geht, kann ich leider nicht mitgehen.“ Lang nickt zustimmend: „Das ist das Problem: Modedesign wohnt in Deutschland in einer staubigen Ecke. Die Kunden und damit auch die Einkäufer sind hier im Gegensatz zu England oder Frankreich einfach nicht mutig genug.“

Sendeplatz nach 22 Uhr

Deshalb begrüße sie, dass die Sendung junge deutsche Designer pusht. Der Erfolg jedoch ist mäßig, die Zuschauerquoten sind entsprechend schlecht. Statt um 20.15 Uhr, wie zu Beginn, wurde die Sendung auf einen Sendeplatz nach 22 Uhr verlegt und eingekürzt.

„Vielleicht ist das tatsächlich nur für andere Designer interessant?“, fragt Lang etwas ratlos. Ihr jedenfalls scheint die Show inhaltlich etwas zu bringen – trotz der dramatischen Musik und der Flammen, die seitlich neben dem Laufsteg immer wieder etwas peinlich in die Luft lodern, trotz der albernen Einblendungen, die die vorgeführten Stücke wie in einem virtuellen Katalogen mit Mode-Binsen anpreisen („Showpieces bringen mediale Aufmerksamkeit“, „Überlänge versteckt Hüftspeck“).

Fashion Hero" läuft am Mittwochabend um 22.20 Uhr auf ProSieben.

Kurz gesagt, trotz all des Trashs, den eine Casting-Show im deutschen Fernsehen offenbar haben muss: „Es inspiriert mich, zu sehen, was andere Designer sich überlegen“, sagt Lang. „Natürlich entwerfe ich am Ende meinen eigenen Stil. Aber neuer Input von außen ist immer gut.“

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