Kommentar Schließung Haasenburg: Endlich glaubt man den Jugendlichen

Die Kinderquälheime zeigen, wie Jugendhilfe nicht arbeiten soll. Junge Menschen brauchen Anlaufstellen, wo sie ihre Geschichte erzählen können.

Endlich wird so vorgegangen, wie es bei Kindeswohlgefährdung in Familien üblich wäre. Bild: Wolfgang Borrs

Die angekündigte Schließung der Haasenburg-Heime ist der vorläufige Höhepunkt eines der größten Jugendhilfeskandale der Nachwendezeit. Endlich wird den Jugendlichen geglaubt, die von Willkür und Misshandlungen berichteten. Endlich hat die zuständige Ministerin den Mut, zu sagen, dass die Einrichtung durch Auflagen nicht mehr zu retten ist. Endlich wird so vorgegangen, wie es bei Kindeswohlgefährdung in Familien üblich wäre. Weil die Gefahr von Kindesgefährdung besteht, wird die Betriebserlaubnis entzogen.

Der Skandal liegt nicht nur im Versagen der Heimaufsicht. Auch die örtlichen Jugendämter und professionelle Helfer wie Gutachter, Richter, Verfahrenspfleger haben nicht richtig zugehört, wenn die Kinder sich beschwerten. Sie haben die Eckpfeiler des Haasenburg-Konzepts mitgetragen, etwa die Einhaltung von „Regeln und Normen“ als wichtiges Hilfeplanziel.

Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen erfahren jetzt erstmals, dass man ihnen glaubt. Eltern und Kinder, die mit dem Jugendamt zu tun haben, sehen sich oft einer „Wand“ von Professionellen gegenüber, die alle dieselbe Sprache sprechen. Das muss aufgebrochen werden.

Der Untersuchungsbericht betont an vielen Stellen, dass einiges – etwa ein Belohnungssystem für erwünschtes Verhalten und das System geschlossener und später offenen Phasen – auch in anderen Heimen üblich sei. Der Unterschied wird an weichen Faktoren festgemacht, wie Mangel an Empathie. Aber birgt Geschlossenheit nicht immer die Gefahr von Machtmissbrauch? Der Fall Haasenburg macht anschaulich, wie sehr solche Konzepte schiefgehen können.

Aber auch aus anderen halb oder ganz geschlossenen Einrichtungen hört man Beschwerden. Auch anderswo gibt es Time-out-Räume und rigide Regeln. Auch dort gehören Zwangsmaßnahmen auf den Prüfstand. Eine vierwöchige Sperre des Kontakts zu den leiblichen Eltern zum Beispiel, wie sie jüngst eine Schulschwänzerin in einem bayerischen Mädchenheim erlebte, ist eine zu harte Strafe.

Auch aus anderen Heimen laufen Jugendliche weg. Diese Jugendlichen brauchen unabhängige Ombudsstellen, wo sie ihre Geschichten erzählen können. Es darf nicht sein, dass sie von der Polizei zurück ins Heim gefahren werden. Der Fall Haasenburg muss als mahnendes Beispiel dafür in die Geschichte eingehen, wie Jugendhilfe nicht arbeiten soll.

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Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.

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