Hapag-Lloyd: Schlussverkauf bei Staatsreederei

Die Hamburger Großreederei steht vor dem Ausverkauf. Das Konsortium Albert Ballin wurde aufgelöst, die Stadt steht jetzt alleine da. Nun droht der Verkauf der Mehrheit an den Konkurrenten NOL aus Singapur.

Wenn er im April 2014 geht, beginnt der Ausverkauf: Noch-Hapag-Lloyd-Chef Michael Behrendt Bild: dpa

HAMBURG taz | Das Konsortium Albert Ballin, Hauptanteilseigner an der weltweit fünftgrößten Frachtreederei Hapag-Lloyd, ist still und heimlich aufgelöst worden. Das bestätigte die Hamburger Finanzbehörde auf Anfrage der taz. Das Konsortium sei „nicht mehr notwendig, um die strategischen Interessen Hamburgs zu wahren“, sagte Behördensprecher Daniel Stricker. Das darf mit guten Gründen bezweifelt werden: Denn nun sind die Anteilseigner frei, ihre Aktienpakete zu verkaufen – auch an die Konkurrenzreederei Neptun Orient Lines (NOL) aus Singapur.

Das Konsortium war 2008 gegründet worden, um eine feindliche Übernahme von Hapag-Lloyd eben durch NOL zu verhindern. Etwa fünf Milliarden Euro soll die siebtgrößte Containerreederei der Welt damals dem Alleininhaber, dem Hannoverschen Touristikkonzern TUI, für eine Mehrheit an Hapag-Lloyd geboten haben. In Hamburg ging die Angst um vor schweren Schäden für Standort, Hafen und Containerumschlag und nicht zuletzt für Arbeitsplätze.

Zusammen mit dem Logistik-Unternehmer Klaus-Michael Kühne, zwei Banken und zwei Versicherungskonzernen kaufte Hamburg unter dem damaligen schwarz-grünen Senat deshalb TUI zum 1. Januar 2009 61,6 Prozent von Hapag-Lloyd ab, 2012 erhöhten der neue SPD-Senat und Kühne ihre Beteiligungen (siehe Kasten), weil NOL ein neues Angebot machte. Damals hätte TUI durch eine Vertragsklausel vom Konsortium verlangen können, ebenfalls Anteile zu verkaufen, sodass NOL Mehrheitsaktionär hätte werden können.

Hamburg ist mit umgerechnet 36,9 Prozent größter Anteilseigner an der Reederei Hapag-Lloyd.

Der erste Kauf: 2009 erwarb das Konsortium Albert Ballin für rund 4,4 Milliarden Euro vom damaligen Alleineigner TUI 61,6 Prozent der Reederei. Die Konsorten sind die Stadt Hamburg, Klaus-Michael Kühne, Signal Iduna, HSH Nordbank, Warburg Bank und Hansemerkur. Hamburgs Anteil kostete 724,7 Millionen Euro.

Der zweite Kauf: Das Konsortium kaufte 2012 von TUI weitere 16,4 Prozent für rund 600 Millionen Euro. Davon zahlte Hamburg 420 Millionen Euro.

Die Konsorten: Kühne hält jetzt 28,2 Prozent, die vier kleinen Eigner zusammen 12,9 Prozent.

Der Rest: TUI hält noch 22 Prozent an Hapag-Lloyd.

Aktuell beläuft sich die Investition der Stadt auf 1,145 Milliarden Euro für 36,9 Prozent. Hinzu kommen Zinszahlungen von bislang mindestens 120 Millionen Euro. Von den erhofften Dividenden, mit denen die Stadt ihre Finanzierungskosten decken wollte, ist noch kein Cent geflossen.

Der Konsortialvertrag hätte erstmals nach fünf Jahren zum 31. Dezember 2013 von jedem Gesellschafter gekündigt werden können. Nun sei er bereits drei Monate zuvor „einvernehmlich notariell aufgelöst worden“, sagt Stricker, ohne genaue Gründe zu nennen. Angestrebt werde nun eine unverbindlichere „Pool-Vereinbarung“, um ein gemeinsames Abstimmungsverhalten der bisherigen Konsorten im Aufsichtsrat und in der Hauptversammlung zu erreichen. Fest indes ist noch nichts.

TUI hat mehrfach erklärt, sich vollständig von Hapag-Lloyd trennen zu wollen und betreibt aktiv den Börsengang. Im April scheidet Hapag-Lloyd-Vorstandschef Michael Behrendt aus, sein Nachfolger wird der Niederländer Rolf Habben-Jansen, bislang Logistik-Manager bei der weltgrößten Containerreederei Maersk aus Dänemark. Er soll möglichst schon zum Herbst nächsten Jahres die Hapag-Lloyd-Aktien auf dem Markt feilbieten. Das sei „die wahrscheinlichste Ausstiegsvariante“, sagte TUI-Chef Friedrich Joussen jetzt vor dem Club Hamburger Wirtschaftsjournalisten. „Und Kühne zieht mit“, fügte er hinzu.

Die beiden zusammen verfügen über 50,2 Prozent an Hapag-Lloyd: Der Mehrheitsverkauf ist damit jetzt ohne die Bindung innerhalb des Konsortiums eine reale Drohung. Zwar ist eine breite Streuung der Aktien an Kleinanleger denkbar, Joussen aber geht auch von Interessen möglicher Großinvestoren aus: „Auf einmal entdeckt jemand die große Liebe und sagt, ehe das jetzt zerstreut wird, kaufe ich das lieber.“ Außerdem dürfte für ein Mehrheitspaket ein höherer Preis zu erzielen sein als im Einzelverkauf. Kühne hält Hapag-Lloyd für zu klein, um im globalen Wettbewerb der Containerreedereien auf Dauer zu bestehen. Nachdem eine Fusion mit Deutschlands zweitgrößter Frachtreederei Hamburg Süd im März gescheitert war, soll er intern bereits mehrfach NOL als möglichen Partner ins Gespräch gebracht haben.

Bislang hatte der in Hamburg und in der Schweiz lebende Multi-Milliardär, der zurzeit an der Außenalster Hamburgs luxuriösestes Hotel bauen will und dem Fußball-Bundesligisten HSV bisweilen Spieler wie Rafael van der Vaart aus der Privatschatulle subventioniert, immer betont, Hapag-Lloyd in der Stadt halten zu wollen. Aber nur mit Liebe zur Vaterstadt wird der 76-Jährige kaum reich geworden sein.

Die indes hofft weiterhin auf die Solidarität des großen Sohnes: „Herr Kühne darf verkaufen, wie viel und an wen er will“, bestätigt Finanzbehörden-Sprecher Stricker: „Aber warum sollte er?“

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