Kolumne Zumutung: Sterben wie in Bogenhausen

Grab, Blumen, Stein, Spruch: Ich habe keine Lust darauf, keine Umstände zu machen.

So soll das Ganze aussehen, mindestens. Bild: dpa

Das ist Jahre her. Ein Frühlingstag in München, weiche Luft, Schneeglöckchen, die sich zwischen abgestorbenem Laub ins Helle bohren, Vögel, die in die Sonne tschilpen. Wir schauen uns den Friedhof Bogenhausen an.

Ein Plätzchen, das seinesgleichen sucht, wenn es um besondere Gräber geht. Und das meint keineswegs jene Träger großer Namen, die hier begraben sind. Etwa Oskar Maria Graf, Rainer Werner Fassbinder oder Erich Kästner. Nein, der Bogenhausener Friedhof zeichnet sich durch Schlichtheit aus. Es fehlen schrankwandbreite Steingewitter, auf deren First eine Baumarkt-Madonna trauert.

Auch Kiesel-und-Schleifmarmor-Installationen sucht man vergebens. Stattdessen: kleine Grabstellen, schmiedeeiserne Kreuze, ein rot lackiertes Herz auf Liesl Karlstadts Grab. Wer hier begraben liegt, braucht keine wortreichen Versicherungen ewigen Gedenkens.

69 Euro jährlich kostet hier ein Erdgrab in erster Reihe, „bis zu zwei Särge während der Ruhezeit und insgesamt bis zu acht Urnen“ können darin bestattet werden, schreibt die Münchner Friedhofsverwaltung auf ihrer Website. Das Anlagengrab – „Länge: 300 cm, Breite: 200 cm, Höhe: 15 cm“ – ist mit 137 Euro Jahresgebühr quasi der Ferrari unter den Grabstellen, das Urnenerdgrab in zweiter oder folgenden Reihen kostet 25 Euro.

Wenn ich es mir aussuchen dürfte, würde ich dereinst gern auf diesem Bogenhausener Friedhof begraben werden. Doch das geht natürlich nicht. Ich bin keine Münchnerin, und ich heiße nicht Eichinger, sondern Maier.

Gelbe Smileys mit blauer Träne

Aber tatsächlich möchte ich, wenn es so weit sein wird, ein Grab haben. Keine verstreute Asche, auch keine anonyme Wiese, auf der meine Töchter umherirren und darüber streiten, wo der Friedhofsgärtner jetzt exakt die Patrone mit meiner Asche versenkt hat. Ich habe keine Lust darauf, keine Umstände zu machen.

Ich will ein kleines Grab mit Platz für Pflanzen, mit einem schlichten Stein, auf dem mein Name steht und ein verabredeter Spruch, den ich der Familie schon mehrfach aufgesagt habe. Damit sie ihn auch parat haben, wenn sie ihn brauchen. Der Mann und die Kinder nennen mein Gefasel morbide. Mir egal. Ich will, dass die an mich denken, und ich sage ihnen rechtzeitig, wie ich mir das wünsche. So.

Was ich jedoch gar nicht will, ist, dass sich irgendjemand in diesem Internet zu meinem Ableben äußert. Es geschehen dort schlimme Dinge. Gelbe Smileys mit blauer Träne – auch Emoticon genannt – tauchen auf Facebook-Seiten auf, wenn es um die Trauer geht, die der Tod anderer Menschen auslöst.

Es gibt tatsächlich Menschen, die sich nicht schämten, auf ihrem Smartphone ein :( einzugeben, als sie die Nachricht erreichte, dass der Autor Wolfgang Herrndorf sich erschossen hatte. Bei anderen reichte der empathische Horizont gerade noch für ein „R.I.P.“. Das ist so was von desinteressiert: Alter, mach's gut, ich hab zu tun! Solche Menschen möchte man nicht kennen.

Hier also noch mal an die Töchter: Ich akzeptiere ausschließlich analoge Trauer. Und immer schön an meinen Grabspruch denken! Ihr wisst Bescheid.

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1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.

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