Demokratie-Enquete des Bundestages: Die Demokratiekoalition

Nicht nur Parteien, auch Initiativen und Verbände stellen nach der Wahl Ansprüche ans neue Parlament. Wer bekommt einen schönen Bundestagsausschuss?

Neue Einblicke: Eine Enquete garantiert, dass das Thema im Bundestag beachtet wird. Bild: Reuters

BERLIN taz | Roland Roth spricht nicht für eine Partei. Er führt keine Koalitionsverhandlungen und muss kein Regierungsprogramm formulieren. Der Mann mit dem weißgrauen Haar ist Forscher.

Und obwohl nicht einmal feststeht, welche Parteien die neue Regierung stellen werden, verhandelt auch Roth in diesen Tagen mit möglichen Bündnispartnern. Kurz nach der Bundestagswahl stellt sich auch für Vereine, Verbände und Initiativen die Frage, wer künftig mit an welchen Töpfen sitzt. Roland Roth will eine Enquetekommission im Bundestag.

Um Demokratie soll es dabei gehen, um die Frage nach dem richtigen Maß an Bürgerbeteiligung und Teilhabe. Und weil das ein gesellschaftliches Großthema ist, das eigentlich alle Parteien angeht, kämpft der Protestforscher für eine solche Enquete.

Das ist ein Ausschuss, in dem gesellschaftliche Fragen fraktionsübergreifend und ganz in Ruhe verhandelt werden – um anschließend zu Empfehlungen zu kommen, die dann gemeinsam umgesetzt werden können. Für die Einsetzung sind ein Viertel der Stimmen der Abgeordneten nötig.

Festes Forum mit Strahlkraft

Das Besondere: Bei dieser Form der Parlamentsarbeit haben neben Abgeordneten auch Sachverständige feste Sitze im Gremium. Außerdem werden Gutachter geladen, Betroffene, Engagierte.

Eine Demokratie-Enquete im Bundestag wäre also ein festes Forum für Kommunalpolitiker, Partizipationsforscher und AktivistInnen, um sich über grundlegende Fragen der Mitbestimmung und direkten Demokratie zu verständigen. In der vergangenen Legislaturperiode wurde etwa die Enquetekommission „Internet und digitale Gesellschaft“ in der Netzbewegung mit sehr viel Aufmerksamkeit verfolgt.

Weil aber die Mittel begrenzt sind, müssen diejenigen, die bedacht werden wollen, nun den Finger heben. Zumindest eines steht fest: Obwohl spätestens die Auseinandersetzung um „Stuttgart 21“ eine anhaltende Beteiligungsdebatte ausgelöst hat, gehört die Gattung der Protest- und Bewegungsforscher zu jener Spezies der Wissenschaftler, die kaum in den Genuss kommen, strukturell gefördert zu werden. Eine Enquete könnte ihnen und ihren Themen zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen.

Roland Roth hat dazu Vorarbeit geleistet. Wissenschaftler wie Oskar Negt, Claus Offe, Claus Leggewie und Politiker wie die bisherige stellvertretende Bundestagspräsidentin Petra Pau von der Linksfraktion, die Grünen-Abgeordnete Monika Lazar und Ex-Bundestagsvize Wolfgang Thierse (SPD) unterstützen den Vorschlag.

Demokratie gegen Rassismus?

Aber auch andere formulieren bereits präzise Erwartungen an das neu gewählte Parlament. Die Türkische Gemeinde etwa fordert, dass im neuen Bundestag die fraktionsübergreifende Arbeit zu Rassismus in Deutschland fortgeführt wird. Ein Untersuchungsausschuss zum Staatsversagen beim rechtsextremen NSU-Terror hat hierzu in der letzten Wahlperiode den Anfang gemacht.

„Wir brauchen nun einen festen Ausschuss im Bundestag, in dem weiter über die Konsequenzen aus dem strukturellen Neorassismus in Deutschland geredet wird“, sagt Kenan Kolat, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde Deutschland. „Wenn wir diese Auseinandersetzung nicht vertiefen, wundern wir uns irgendwann wieder, was auf den Straßen passiert.“

Demokratie und Rassismus – lässt sich das überhaupt gegeneinander diskutieren? „Nein“, sagt SPD-Politiker Sönke Rix, Rechtsextremismusexperte seiner Fraktion. Er hat Roths Forderung nach einer Demokratie-Enquete mitunterzeichnet. „Rechtsextremismus und mangelnde Wahlbeteiligung hängen ja direkt mit der Demokratiefrage zusammen.“

Rix kämpft deshalb für eine Enquete, in der beide Themen zusammengeführt werden können – und sieht dafür gute Chancen. „Wir müssen aufpassen, dass wir keinen Verteilungskampf auslösen, wenn es um Themen wie Demokratie oder Rassismus geht.“

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