Übergangsregierung in Tunesien: Islamisten geben Druck nach

Nach langen Verhandlungen tritt die von Ennahda geführte Regierung ab. Nun solle es eine neue Verfassung, ein Referendum und Neuwahlen geben.

Regierungsumbildung: Ennahda-Chef Rachid Ghannouchi muss seine Macht teilen. Bild: dpa

MADRID taz | Die tunesische Regierung tritt ab. Darauf einigten sich nach zwei Monaten dauernden Verhandlungen am Samstag die regierende islamistische Partei Ennahda und die Opposition. Binnen einer Woche soll ein neuer, unabhängiger Regierungschef eingesetzt werden, der dann weitere zwei Wochen hat, um ein Kabinett aus unabhängigen Technokraten zusammenzustellen.

Diese neue Exekutive soll dann binnen einem Monat zusammen mit allen politischen Kräften des Landes in einem „nationalen Dialog“ den Verfassungsentwurf des vor knapp zwei Jahren gewählten ersten freien Parlaments endgültig fertigstellen. Der Text muss dann vom Parlament mit einer Zweidrittelmehrheit verabschiedet werden. Danach sollen Wahlen eingeleitet werden.

Das sogenannte Quartett, bestehend aus der mächtigen Gewerkschaft Union Générale Tunisienne du Travail (UGTT), dem Arbeitgeberverband, der Menschenrechtsliga und der Anwaltsvereinigung hatte als Vermittler gewirkt und das Abkommen ausgearbeitet. Es wurde am Samstagabend von Ennahda-Chef Rachid Ghannouchi und von den wichtigsten Oppositionsführern unterzeichnet.

Eine der beiden kleinen, säkularen Koalitionspartner Ennahdas, der Kongress für die Republik von Übergangspräsident Moncef Marzouki, lehnte das Abkommen ab. In einer Erklärung war von der „Erpressung bestimmter Parteien“ die Rede. In Tunesien wurde am 14. Januar 2011 der Diktator Zine el Abidine Ben Ali gestürzt. Dies löste die Protestwelle in der arabischen Welt aus.

Seit Monaten andauernde Krise

Ennahda und die in der Nationalen Heilsfront zusammengeschlossenen Opposition wollen mit der Einigung auf eine Technokratenregierung das Land aus der seit Monaten anhaltenden schweren politischen Krise führen. Diese wurde durch die Morde an zwei Oppositionspolitikern im Februar und im Juli diesen Jahres ausgelöst. Teilnehmer großer Demonstrationen warfen den regierenden Islamisten in beiden Fällen vor, zu tolerant mit radikalen Islamisten, die hinter den Taten vermutet werden, umzugehen. Ennahda musste jetzt dem Druck der säkularen Oppositionsparteien nachgeben.

„Ich möchte mich bei Ihnen für die Teilnahme am Dialog bedanken, weil sie der Hoffnung in Tunesien die Tür öffnen“, wandte sich der UGTT-Generalsekretär Houcine Abassi an die Unterzeichner der Übereinkunft. „Tunesien durchläuft eine nie dagewesene politische, wirtschaftliche und soziale Krise, die mutige Maßnahmen verlangt“, fügte er hinzu. Die Gewerkschaft will den Prozess weiterhin vermittelnd begleiten.

Die endgültige Redaktion der Verfassung birgt noch einigen politischen Sprengstoff. Hauptstreitpunkte sind die Rolle der Religion und die Freiheiten der Frauen, für die das traditionell säkulare Tunesien in der arabischen Welt bekannt ist. Bei beiden Punkten hat Ennahda in den vergangenen zwei Jahren umstrittene Positionen im Verfassungsentwurf festgeschrieben. Zuletzt war die Arbeit an dem neuen Grundgesetz ganz zum Erliegen gekommen.

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