Jeans zum Leasen: Hosen, die Geschichten erzählen

Bei einem Unternehmer aus den Niederlanden können Kunden Jeans leasen. Eine Idee im Namen umweltfreundlicher Kleidung.

Was gibt sie mir aus ihrem Leben preis, diese Jeans? Bild: reuters

Anderssein ist das neue Dazugehören. Wegen diesem Paradoxon des Hipstertums muss Kleidung heutzutage eine Geschichte erzählen: die Jacke aus dem hippen Secondhandladen, Schuhe von einer befreundeten Designerin, Hosenträger von Opa. Und die Jeans? Geleast. Laufzeit ein Jahr, null Prozent effektiver Jahreszins. Wenn das mal keine Geschichte ist.

Geliefert wird sie vom niederländischen Unternehmer Bert van Son. Seine Firma Mud Jeans verleast Hosen. Die KundIn verwendet die Jeans, die Firma bleibt Eigentümer. Mud bekommt die Jeans irgendwann wieder und recycelt das Material. „Kreislaufwirtschaft heißt das“, berichtet die TrägerIn stolz auf Partys. Recyceln kann bedeuten, die Hose als gebrauchte Vintage-Jeans weiter zu verkaufen (ehemals verleaste, jetzt gebrauchte Jeans – gute Geschichte).

Meist werden die Jeans aber geschreddert. Aus dieser Recycling-Baumwolle können neue Jeans gewoben werden. (Recycelte Bio-Baumwolle? Bessere Geschichte). Dazu muss zwar neue Baumwolle zugesetzt werden, da die Fasern des gehäckselten Materials zu kurz sind. Aber 50 Prozent wiederverwertete Baumwolle könne eine Jeans bald enthalten, schreibt Mud Jeans auf seiner Webseite. Zurzeit seien es 30 Prozent.

„Rohstoffe werden immer knapper“, sagt Gründer van Son. Umso wichtiger sei es, sie effizient zu nutzen. „Wir müssen in unserem Konsumverhalten vom Verbrauch zum Gebrauch kommen.“ Tatsächlich ist Baumwolle ein wasserintensives Material. Der Wissenschaftler Arjen Y. Hoekstra hat errechnet, dass zur Produktion einer neuen Jeans durchschnittlich etwa 10.000 Liter Wasser nötig sind.

20 Euro Pfand bei der Bestellung

Damit die Jeans auch wieder bei Mud ankommen, hat van Son das Leasingkonzept ersonnen: Die KundIn bezahlt 20 Euro Pfand bei der Bestellung. Danach werden jeden Monat fünf Euro per Bankeinzug fällig. Nach einem Jahr hat die JeansträgerIn also 80 Euro bezahlt. Nun stehen ihr drei Möglichkeiten offen: die Jeans zurückzuschicken, sie gegen eine neue einzutauschen oder sie zu behalten. Für Letzteres werden weitere 20 Euro berechnet, dann gehört die Jeans ein für alle Mal der KundIn.

Ist die Hose irgendwann kaputt, nimmt Mud sie zurück und rechnet die 20 Euro Pfand auf den nächsten Einkauf an. Vier Hosenmodelle für Männer, für Frauen drei und zwei Blazer bietet Mud bisher an – von naturbelassen bis „dirty wash“. Vertrieben werden sie im Internet und in einigen Läden in den Niederlanden. Bald will van Son auch deutsche Läden beliefern.

Günter Dehoust gefällt das Konzept. Der Umweltingenieur forscht seit Jahren am Öko-Institut in Berlin zur Kreislaufwirtschaft. „Grundsätzlich ist das eine sympathische Idee“, sagt er. „Jeans auf diese Art zu recyceln ist mir bisher neu.“ Allerdings sei fraglich, wie viel Nutzen daraus erwachsen könne, da vor allem in Deutschland die Altkleidersammlung schon für umfassende Wiederverwertung von Kleidung sorge.

Verkaufsargument Nachhaltigkeitsmodell

„Vor allem aber scheint mir die Frist von einem Jahr zu kurz“, sagt Dehoust. Tatsächlich hat eine Jeans in Deutschland eine durchschnittliche Lebenserwartung von dreieinhalb Jahren. Das ergab im Jahr 2004 eine Studie des Marktforschungsinstituts Ipsos für den Jeanshersteller Levi Strauss. Zwar kann der Leasingkunde die Jeans auch nach einem Jahr noch behalten – das ist auch das Argument von Mud Jeans. „Aber durch die vorgegebene Frist besteht natürlich ein Anreiz, die Hose nach einem Jahr einzutauschen“, sagt Dehoust. Das könne dazu führen, dass Jeans viel kürzer genutzt würden als bisher – und so den angestrebten Effekt ins genaue Gegenteil verkehren.

Trotzdem: Das Nachhaltigkeitsmodell ist ein gewichtiges Verkaufsargument. Mud hat sich die Revolution des Konsums auf die Fahnen geschrieben. Und immerhin 64 Prozent der Deutschen geben laut einer aktuellen Studie der Otto Group an, dass sie beim Einkaufen „ethische Überlegungen“ regelmäßig mit einbeziehen. Läuft also bald die Hälfte des Landes in geleasten Hosen durchs Leben?

Mal ein, zwei Gläschen Wein? Wir verharmlosen unseren Alkoholkonsum, warnen Drogenbeauftragte. Warum auch Sie Ihr Trinkverhalten vielleicht überdenken sollten, lesen Sie in der http://www.taz.de/!124486/" target="_blank"> taz.am wochenende vom 5./6. Oktober 2013 . Darin außerdem: Es ist nicht rassistisch, Differenzen zu benennen – sie zu verschweigen ist das Problem. Und: Der Kulturtheoretiker Klaus Theweleit über Männer, Mythen und Gewalt. Am http://taz.de/!p4350/" target="_blank">Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen http://taz.de/tazam-wochenende/!112039/">Wochenendabo.

Wahrscheinlich eher nicht, sagt Trendforscherin Kristina Bonitz. Sie sieht das Konzept von Mud Jeans in einer Reihe mit anderen Ideen, die zeigen, dass sich junge Konsumenten allmählich vom Besitz verabschieden. „Shareconomy, also Güter mit anderen zu teilen, ist gerade angesagt“, sagt Bonitz. Auf der Webseite kleiderkreisel.de kaufen und verkaufen Modebegeisterte gebrauchte Teile, mit Apps wie „Why-own-it“ werden Gebrauchsgegenstände geteilt und in Großstädten schießen Projekte wie die Hamburger „Kleiderei“ aus dem Boden – dort wird Alltagskleidung verliehen wie andernorts Karnevalskostüme.

Das alles ist voll im Trend – aber eben noch kein Massenphänomen. Vor allem junge GroßstädterInnen begeistern sich für die neuen Ideen. Aus unterschiedlichen Motivationen: „Bei dem Leasingmodell steht die Nachhaltigkeit stärker im Fokus“, sagt Bonitz. „Bei Kleiderkreisel und Co. geht es eher um eine bezahlbare Erweiterung des Kleiderschranks.“

Immer geht es aber auch ums Dazugehören: „Zu zeigen, dass man weiß, was gerade abgeht, spielt eine große Rolle“, sagt die Trendexpertin. Und selbst wenn der objektive Vorteil einer geleasten Jeans gering sein sollte: „Oft ist die Hauptsache, dass man eine gute Geschichte erzählen kann.“

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