Kolumne Wutbürger: Gelebter Umweltschutz für Idioties

Was tut man nicht alles, um die Welt zu retten: Äpfel nur aus regionalem Anbau, Altglas brav in den Container. Aber wohin bloß mit den Deckeln?

Hat Schneid: Flasche ohne Kopfbedeckung Bild: dpa

Wäre mein Leben doch so einfach wie das der Menschen in meiner Umgebung. Ich könnte mir den ganzen Aufwand sparen, nur um die Welt zu retten. Müll trennen, im Supermarkt zu den Äpfeln aus Brandenburg greifen und die aus Neuseeland liegen lassen und den Einkauf nicht in Plastiktüten nach Hause tragen – macht das Leben doch nur unnötig kompliziert. Es geht auch ganz easy. Die Welt wird sich schon selbst retten, wenn sie unbedingt möchte.

Wie das funktioniert, ein verantwortungsbewusstes Verhalten ganz ohne zu viel lästiges Nachdenken, kann man an einem Altglascontainer bei mir um die Ecke lernen. Braunglas, Grünglas, Weißglas, das ganze Programm. Die Menschen in meiner Nachbarschaft – viel sanierter Altbau, dazwischen Neubauten mit nackten Betonflächen und Fenstern bis zum Fußboden – entsorgen dort ganz vorbildlich. Jedenfalls das Glas.

Im Angesicht der schwarzen Schlünde stellen dann viele offenbar ganz überrascht fest, dass auf ihren Gläsern und Flaschen noch Verschlüsse und Deckel klemmen. Da weiß der grüne Bürger von heute: Alu und Plastik, das ist nichts für den Glascontainer. Das muss in die Gelbe Tonne. Und was macht er? Er nimmt das Zeug nicht etwa wieder mit. Er schraubt es ab und legt es oben auf den Container. Ganz easy. Oft sieht die Sammelstelle aus wie eine Open-Air-Ausstellung des Grünen Punkts.

Mal ein, zwei Gläschen Wein? Wir verharmlosen unseren Alkoholkonsum, warnen Drogenbeauftragte. Warum auch Sie Ihr Trinkverhalten vielleicht überdenken sollten, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 5./6. Oktober 2013. Darin außerdem: Es ist nicht rassistisch, Differenzen zu benennen – sie zu verschweigen ist das Problem. Und: Der Kulturtheoretiker Klaus Theweleit über Männer, Mythen und Gewalt. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Nimmt man sich dieses Verhalten zum Vorbild, tauchen noch ganz andere Strategien vor dem geistigen Horizont auf. Zum Beispiel das Auto verkaufen, stattdessen die U-Bahn nehmen und für die 900 Meter zur Haustür in einen Carsharing-Wagen am Straßenrand springen. Oder den CO2-Ausstoß nach einem Langstreckenflug kompensieren, indem man den Betrag auf ein dafür eingerichtetes Konto überweist, das auf den eigenen Namen läuft.

Das ist gelebter Umweltschutz im Jahr 2013. Nicht für Dummies, sondern für Idioties.

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Journalist, Buchautor, Moderator. Ärgert sich gern über Dinge, über die er sich gern lustig macht. Arbeitet außerdem als Dozent, weil man sich ja nicht immer nur ärgern kann, sondern auch den Jüngeren erklären muss, warum Journalismus immer noch der schönste Beruf von allen ist.

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