Religion: Muslime allein hinter Gittern

Justizsenator stoppt Seelsorgeprojekt für muslimische Gefangene – wegen „Sicherheitsbedenken“.

Muslimische Gefängnishäftlinge müssen nach einer Entscheidung von Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) fortan ohne Seelsorger auskommen. Bild: DPA

Wegen Sicherheitsbedenken hat Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) ein Seelsorgeprojekt für muslimische Gefangene platzen lassen. Die muslimischen Verbände, die für das Projekt bereits über 30 ehremantliche Seelsorger ausgebildet haben, reagieren mit Unverständnis. „Ich bin sehr enttäuscht. Die Entscheidung ist ungerecht und nicht plausibel“, sagte der Vorsitzende der Islamischen Föderation Berlin, Fazli Altin am Donnerstag zur taz. Heilmanns Sprecherin Lisa Jani beruft sich auf Informationen der Senatsverwaltung für Inneres – offenbar des Verfassungsschutzes. Einige Mitglieder des Projekts seien „unter Sicherheitsgesichtspunkten als problematisch eingestuft“, so Jani.

Die Idee, in den Gefängnissen eine muslimische Seelsorge fest einzurichten, war vor einigen Jahren im Berliner Islamforum unter dem Vorsitz des früheren Integrationsbeauftragen Günter Piening entstanden. Anders als katholische oder evangelische Insassen haben Muslime in den Berliner Knästen keine festen Ansprechpartner. Die muslimische Seelsorge basiert ausschließlich auf dem ehrenamtlichen Engagement einzelner, obwohl die Zahl der muslimischen Gefangenen steigt. Das zu ändern war Ziel des Projekts. Sieben muslimische Verbände, darunter die Islamische Föderation Berlin und die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) sowie kleinere Organisationen wie das Muslimische Sorgentelefon gründeten einen Trägerverein: die Arbeitsgemeinschaft Muslimische Gefängnisseelsorge e. V.

30 Seelsorger ausgebildet

Über 30 Seelsorger habe der Verein 2012 neun Monate lang ausgebildet, sagt Fazli Altin. Es handele sich nicht um Imame, sondern um Rechtsanwälte, Politologen und Menschen aus anderen Berufen. Auch er selbst wolle als Seelsorger tätig sein, sagt der Anwalt Altin. Triebfeder sei ehrenamtliches Engagement. „Wir wollen Muslime nicht im Stich lassen, die im Gefängnis in Not sind.“

Altin zufolge sollten die Seelsorger am 1. Januar 2013 ihre Tätigkeit aufnehmen. Aber die Justizverwaltung schob die Vertragsunterzeichnung immer weiter hinaus. Im August wurde den Verbänden dann mitgeteilt, dass das Projekt gestoppt sei. Einzige Begründung: Es gebe Sicherheitsbedenken. Gegen welche Personen sich diese richten, sei nicht mitgeteilt worden, so Altin. „Wir hätten uns das gewünscht, um die Hindernisse gemeinsam zu beseitigen, die die Senatsverwaltung sieht“. Er hoffe immer noch, dass sich das Projekt retten lasse.

Nach taz-Informationen soll es bei einzelnen der künftigen Seelsorger Hinweise auf einen salafistischen Hintergrund geben. Dass die Justizverwaltung gleich das ganze Projekt stoppt, stößt nicht nur bei den muslimischen Verbänden auf Unverständnis. Die Integrationsbeauftragte des Senats, Monika Lüke, kündigte an, sich bei der Justizverwaltung für eine Fortführung des Projekts einsetzen zu wollen. In den Knästen bestehe ein massiver Bedarf an muslimischen Seelsorgern. „Es ist wichtig, zu einer formalisierten Vereinbarung zu kommen“, so Lüke.

Am Vorhaben, muslimische Seelsorge in den Gefängnissen zu stärken, halte man fest, so Justizsprecherin Jani. „Wir suchen jetzt Alternativen“. Die Zusammenarbeit mit dem Verein sei aber beendet. Dass die Verbände von der Justizverwaltung hingehalten wurden, sei nicht der Fall: „Eine Kooperation war angestrebt, bestand aber noch nicht“, so Heilmanns Sprecherin lapidar.

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