Macht der Mikroben: Wie viele bin ich?

Der Mensch ist die Summe seiner Gene, verkündeten Forscher einst. Der Mensch ist die Summe seiner Mikroben, erklären Wissenschaftler jetzt.

Manche Mikroben kommen gefährlich daher – als Killer gar. Bild: dpa

Es begab sich zu einer Zeit, als der Forscher Craig Venter loszog, das Human Genome Project bei der Entschlüsselung des menschlichen Genoms zu überholen. Venter verkündete im Jahr 2000, er wolle das komplette menschliche Genom entschlüsseln. Die FAZ druckte eine Reihe von Gen-Sequenzen. Unterschiedlichste Kombinationen von ATCG, CGAT, TAGC überall.

Plötzlich wirkte so viel bedeutungsvoller, was man sonst so in der Schule lernte. Welche Augenfarbe aus grün (Frau) und blau (Mann) entsteht, wenn beide ein Kind zeugen. Ob wir lange oder kurze Beine haben, die Form unserer Nase – all das bestimmen die Gene, die wir vererbt bekommen.

Der Mensch also, ein Genprodukt, fertig und unveränderbar wie ein produziertes Auto?

Das wäre ein bisschen zu einfach, klar. Wir verändern uns ständig. Und wir – das sind viele. Das wird jetzt immer deutlicher.

Billionen winzigster Lebewesen

Billionen winzigster Wesen in und auf uns bestimmen, wer wir sind. Aber wie genau? Die Titelgeschichte "Du bist nicht allein" lesen Sie in der taz.am wochenende vom 7./8. September 2013 . Warum Überwachung die Autoimmunerkrankung der Demokratie ist, erklärt die Philosophin Leena Simon. Und: Heide Oestreich und Stefan Reinecke beschreiben die Merkel-Maschine. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Insgesamt 100 Billionen kleinste Lebewesen hausen in und auf unserem Körper. So unangenehm es klingen mag. Wir sind nicht allein. In uns wohnt eine riesige WG, eine Kommune. Vor allem im Darm, aber auch unter den Achseln, im Mund, am Ohrläppchen sitzen allein schon 10.000 Arten unterschiedlicher Bakterien. Ganz zu schweigen von all den Milben, Viren und Pilzen.

Mikrobiom nennen Wissenschaftler die Gesamtheit all dieser Lebewesen, der Mikroben, in uns. Und dieses Mikrobiom soll mehr können, als wir bisher dachten – es soll nicht nur bei der Verdauung helfen. Sondern auch mit darüber entscheiden, wie es uns gesundheitlich geht, ob wir Diabetes haben, an Übergewicht oder einer Depression leiden – und vielleicht beeinflusst es sogar unser Sexualleben, unser Gemüt und die Evolution des Menschen.

sonntaz-Autorin Maria Rossbauer hat sich für die Titelgeschichte der taz.am wochenende vom 7./8. September 2013 durch Studien gewühlt und Wissenschaftler besucht, um herauszufinden, was genau es mit diesem Mikrobiom, auf sich hat, von dem sich Forscher wie der Heidelberger Peer Bork so viel versprechen, dass mittlerweile ein Humane Microbiome Project aufgelegt wurde.

Erzeugt das Wissen Druck?

Das Mikrobiom, haben Wissenschaftler festgestellt, ist veränderbar, anders als die Gene. Was wir essen und trinken, in welcher Umgebung wir uns aufhalten, welche Menschen wir berühren – all das beeinflusst die Zusammensetzung der Lebewesen in uns. Einfluss also, den wir haben. Und damit noch mehr Verantwortung. „Da kann ich nichts für, das sind die Gene“, dieser Satz war einmal.

Wenn der Mensch aber immer präzisere Informationen über seinen Körper hat, gerät er dann auch immer mehr in Zugzwang?

Kommt bald die aufs Mikrobiom abgestimmte Diät – und alles andere wäre dann verantwortungslos?

Die zunehmende Erforschung des Mikrobioms scheint ein Paradigmenwechsel in der Wissenschaft. Gestern Gene, heute Mikrobiom. Und morgen?

Es waren einmal die Säfte

„Nun ja, die Frage nach dem Menschen hat den Menschen vermutlich immer schon beschäftigt“, sagt der Bamberger Philosoph Christian Illies. Je nach Epoche, in der der Mensch lebte, kam er zu unterschiedlichen Ergebnissen, was ihn eigentlich ausmacht.

Seine Säfte, dachten beispielsweise die Menschen vor dem 16. Jahrhundert, als sie noch keinen Begriff von Atomen und Molekülen hatten. Erst, wenn Blut, Schleim, schwarze und gelbe Galle sich nicht mehr bewegten, war der Mensch nach ihrer Überzeugung tot.

Der Mensch des 21. Jahrhunderts aber kann demnach viel mehr für seine Gesundheit tun.

Wollen Sie das? Ihre Gesundheit immer stärker beeinflussen können? Und auch die Ihrer Mitmenschen? Oder überfordert Sie dieser Einfluss zunehmend? Wie verändert das das Bild von uns selbst, wenn wir nun auch die Mikroben in uns und auf uns kennenlernen können? Diskutieren Sie mit!

Die Titelgeschichte „Du bist nicht allein“ lesen Sie in der taz.am wochenende vom 7./8. September 2013.

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