Die Wahrheit: Stoppt den IC 2082!

Anzeigen wie „Geänderte Wagenreihung beachten: Wagen 3 fehlt, Fahrräder in Wagen 5, Verspätung ca. 35 Minuten“ nehmen wir mit Gleichmut zur Kenntnis.

In den Bahnhöfen vermeidet man es, die ratlos Wartenden durch Informationen zu verunsichern. Bild: dpa

Mit wachsendem Respekt habe ich in den vergangenen Jahren verfolgt, wie erfolgreich die Deutsche Bahn AG das permanente Desaster aus Verspätungen, Zugausfällen und Technikversagen zur neuen Normalität erklärt.

Das Personal teilt mit Routine und Galgenhumor die Pannen mit oder lässt sich rücksichtsvollerweise gar nicht mehr bei den Fahrgästen blicken; in den Bahnhöfen vermeidet man es, die ratlos Wartenden durch Informationen zu verunsichern; der Kollege im Bistro hat stets vorbereitete Schilder mit dem Text „Kühlungsausfall“ parat, die er nach eigener Aussage jeden zweiten Tag auf den Tischen verteilen muss (was bedeutet: keine kalten Getränke, keine Mikrowellen-Speisen aus der Kühlung, Vernichtung aller Kühlprodukte, Gehaltseinbuße für die umsatzbeteiligten Mitarbeiter); die Passagiere haben stets Bikini und Winterpullover sowie ausreichend Proviant dabei, weil niemand weiß, ob er bei 10 Grad oder bei 45 Grad reist, wie lange die Fahrt dauert und wo sie endet.

Anzeigen wie „Geänderte Wagenreihung beachten: Wagen 4, 12, 12, 5–11, Wagen 3 fehlt, Fahrräder in Wagen 5, Verspätung ca. 35 Minuten“ nehmen wir mit zunehmender Gleichmut zur Kenntnis. Ein wenig Frust kommt allenfalls auf, wenn die Bahn sich viel Mühe gibt mit einer Anzeige wie „Ca. 40 Minuten Verspätung, heute vom Gleis 2, heute ohne Wagen 12, Wagen 4, 5, 7, 10 und 11 sind verschlossen“ – nur um dann bei Einfahrt des Zuges mitzuteilen, dass er überhaupt nicht weiterfährt. Wird keine Verspätung und keine andere Besonderheit angezeigt, geht der geschulte Fahrgast von einem Defekt der Anzeigetafel aus.

Auch am Freitagnachmittag (16. 8. 2013) lief zunächst alles normal in Köln: Intercity nach Hamburg mit 35 Minuten Verspätung angezeigt, der als Alternative bestiegene ICE via Hannover sammelte bereits bis Hamm zehn Minuten Verspätung – und wartete dort weitere zehn Minuten, weil der zweite Zugteil noch später eintraf. In Hannover war der Anschluss-ICE nach Hamburg natürlich weg.

Aber jetzt wird es seltsam: Durch Zufall erblickt der Reisende auf einem anderen Gleis eine mysteriöse Zugankündigung. Der IC 2082 soll pünktlich um 16:57 Uhr nach Hamburg fahren. Und das finde ich wirklich unbegreiflich und geradezu verantwortungslos. Denn der IC 2082 kam aus Berchtesgaden. Er war seit über acht Stunden unterwegs. Er hatte bis Hannover bereits an 24 Bahnhöfen gehalten.

Und er war trotzdem pünktlich. Er hatte einige funktionierende WCs, eine funktionierende Klimaanlage sowie kühle Getränke; die Wagenreihung stimmte und die Reservierungen waren vermutlich auch noch nicht unwiederbringlich gelöscht. Dieser Intercity war der rollende Beweis dafür, dass es geht. Und durchkreuzte damit die Strategie der Bahn, die Dauerpanne zur Regel zu erklären.

Andererseits schmerzte dieser Anblick so sehr, dass es nur eine Lösung gibt: Ein solcher Zug darf nicht fahren. Er muss aus dem Verkehr gezogen werden. Schluss mit dem gefährlichen Pünktlichkeits-Irrsinn! Stoppt den IC 2082!

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kari

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