Eintauchen ins Polizeiforum: Der einsame Freund und Helfer

Die Öffentlichkeit diskutiert viel über Polizisten. Und über Polizeigewalt. Wie ist es in diesen Tagen Polizist zu sein? Ein Blick ins Internetforum „CopZone“.

Im Forum scheint es, als sei „Deeskalation“ nur ein Wort für sanftere Gewalt. Bild: Maria Kokina

Es läuft nicht alles gut bei der Polizei. Die öffentliche Entrüstung nach der Polizeigewalt bei Blockupy Frankfurt; der tödliche Schuss auf einen verwirrten nackten Mann am Neptunbrunnen; das Video vom Übergriff von sieben Beamten auf einen Mann in einer Bremer Diskothek. Die Öffentlichkeit ist seinen Ordnungshütern gegenüber momentan eher kritisch eingestellt. Die Polizei, das Familienministerium unter den staatlichen Behörden.

Wie ist das denn, in diesen Tagen als Polizist zu arbeiten? Lassen einen die Diskussionen unberührt? Hinterfragt man seine Stellung? Ist so einer wie der Polizeigewerkschafts-Chef Rainer Wendt eigentlich repräsentativ?

CopZone heißt eines der wenigen offen einsehbaren deutschen Polizeiforen im Netz, und wenn man überhaupt irgendwo Antworten auf diese Fragen bekommen wird, dann wohl hier. Viele argumentieren hier mit detaillierten, persönlichen Erfahrungen, die Moderation ist akkurat und Trolle, die sonst jedes offene Forum unterwandern, um zu provozieren, fehlen gänzlich.

Zunächst beantworten sich Fragen, die gar nicht so aufregend sind. Im Gegenteil: Wie öde ist eigentlich der Berufsalltag eines Polizisten? Meistens öde. Unfassbar öde! „Vortragsstil von Volker Kauder“-öde! „Jim Jarmusch macht Splatterfilme dagegen“-öde! Was den Polizisten zum Thema „Der tägliche Dienst“ als besonders ereignisreich in Erinnerung geblieben ist: ein Fahrraddieb mit Dialekt. Einem Auto die Scheibe einschlagen, um eine eingeschlossene Frau zu retten. Selbst ein Castor-Einsatz: den Polizisten ist so langweilig, dass sie bald „jede Kuh mit Vor- und Geburtsnamen“ kennen.

Alternativloser Tod im Neptunbrunnen

Die Polizisten im Forum befinden sich in einer tiefen Sinnkrise. Die Resignation im Thread um den tödlichen Schuss am Berliner Neptunbrunnen ist mit Händen greifbar. Dreiviertel der an der Diskussion Beteiligten hätten ebenfalls geschossen hätten; so tragisch das Geschehen, so alternativlos ist es auch.

Dass sie gerne besser darauf vorbereitet wären, daran lässt der Thread kein Zweifel – doch der geistige Zustand des Mannes in der Diskussion keine Rolle spielt, sondern nur: das Messer. Auf dieses Messer muss es Antworten geben, und die haben immer mit der Ausrüstung zu tun. Sie fordern zum Beispiel Taser für jeden Wagen, damit es zumindest keine Toten mehr gibt.

Diejenigen, die keinen Handlungsbedarf sehen, ziehen sich hinter ihre Dienstwaffe zurück. „Ja“, sagt einer, auf solche Situationen werde man trainiert. „Im Schießtraining.“ Ob sich so eine Situation eventuell ohne Waffengewalt lösen ließe, die Frage kommt erst gar nicht auf. Deeskalation ist nur ein Wort für sanftere Gewalt.

Interessant auch, dass nicht Kriminelle und Straftäter als Gegner auftauchen. Stattdessen geht es immer wieder um zwei Fraktionen: der „Schwarze Block“ und die Grünen, wobei der Unterschied im Zweifel die Frisur ist. Das ganze Forum scheint sich als Gegenentwurf zu Indymedia zu begreifen; kaum zu glauben, wie oft man sich in den Diskussionen an diesem Gegner abarbeitet.

Neuerdings mehren sich die kritischen Stimmen gegenüber den Polizisten und plötzlich schreibt unerklärlicherweise die FAZ negativ über Polizeieinsätze. So fühlt sich die Polizei, dein Freund und Helfer, von allen verlassen: von den Demonstranten angegriffen, von der Presse denunziert, von der Politik verraten. In jüngeren Beiträgen macht sich eine melancholische Einsamkeit breit, die bisweilen ins Sektiererische abdriftet.

„Weiter Eisbeine zerschneiden“

Wobei es auch Überraschendes zu lesen gibt: Als einige Forenteilnehmer begannen, die Räumung des Flüchtlingscamps in München als Paradebeispiel für Rechtsstaatlichkeit zu feiern, gibt es Gegenwind. Und einen Aufruf zu polizeilichem Humanismus: „Unser Anliegen muss sein, ohne Groll auch für diese Menschen einzutreten und deren Interessen und Lebensumstände zu kennen.“ Das wäre ein schöner Manifest-Anfang!

Und dieser Rainer Wendt, der sonst für die Polizisten spricht? Er hat im Forum keinen guten Stand. Vor allem nicht, seit er mal gesagt hat, dass wer heute in ein Fußballstadion gehe, sich ins Lebensgefahr begebe. Das einhellige Kopfschütteln darüber war im Forum derart deutlich spürbar, dass einem am heimischen Rechner der Bildschirm ins Wackeln kommt. Der solle „weiter Eisbeine mit Namensschildern zerschneiden“. Gute Idee.

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