FC St. Pauli-Fans drehen Roadmovie: Die Abenteurer vom Kiez

Zwei FC St.-Pauli-Fans fahren im VW-Bus zur Fußball-WM nach Südafrika. Von ihrer Reise erzählt der charmante Film "Vom Kiez zum Kap".

Mögen auch exotische Biersorten: Kay Amtenbrink (links) und Bernd Volkens in Afrika. Bild: Jo Bornemann

HAMBURG taz | Abenteurer gibt es viele. Sie besteigen den Himalaja, durchsegeln das arktische Meer oder umqueren die Welt auf einem Fahrrad. Nachher schreiben sie dann ein Buch und hoffen, dass sich trotz der vielen TV-Dokumentationen und trotz Google Earth noch jemand interessiert für ihre Geschichte.

Die beiden Hamburger Kay Amtenbrink und Bernd Volkens sind auch Abenteuerer, aber ihre Geschichte geht anders. Sie beginnt im Jahr 2010, Amtenbrink und Volkens waren 41 und 40 Jahre alt, als sie ihr Abenteuer planten. Ein Buch hatten sie nicht im Sinn, sie wollten eigentlich nur ihren Mitspielern aus der 8. Mannschaft des FC St. Pauli beweisen, dass sie fähig sind, ihre Idee, die im Suff geboren wurde, tatsächlich umzusetzen.

Die Idee ist, mit einem alten VW T3, einem Nachfahren des klassischen VW-Bus, zur Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika zu fahren. Amtenbrink und Volkens nehmen unbezahlten Urlaub, der eine ist freier Grafiker, der andere Redakteur bei der Auto Bild. Wegen der politischen Lage wählen sie die Ostroute über die Türkei und Jordanien, rund 20.000 Kilometer, für die sie vier Monate Reisezeit veranschlagen. Immer dabei: Das FC-St.-Pauli-Wappen auf T-Shirts oder Aufklebern. Denn die beiden sind nicht nur Abenteuerer und Hobby-Fußballer, sie sind auch Fans.

Dass aus dieser Reise ein Film wurde, ist dann ein Zufall: Regisseur Joachim Bornemann ist im FC-St.-Pauli-Clubheim, als Amtenbrink und Volkens dort ihren Abschied feiern. Bornemann beschließt spontan, einen Film zu drehen. Der ist nun fertig, er heißt „Vom Kiez zum Kap“ und hat am 5. Juli in Hamburg Premiere.

Alles richtig gemacht

Zunächst ist es keine entschieden bessere Idee, einen Film über ein Reiseabenteuer zu drehen, anstatt ein Buch zu schreiben. Aber bei Kay Amtenbrink und Bernd Volkens ist der Film das richtige Medium: Als sie am 15. Februar 2010 kurz nach ihrem Aufbruch bei der Fahrt über die Elbbrücken das erste Mal in die Kamera sprechen, strahlen sie. Es ist das Strahlen von jemandem, der gerade genau das Richtige tut. Ein ansteckendes Strahlen, dem man gern zuschaut und von dem man wissen will, wie es sich verändern wird auf dieser Reise.

Der Film steigt ein mit einem starkem Zeitraffer: Zwei Monate werden in wenigen Minuten erzählt, Amtenbrink und Volkens haben den Balkan und ein Stück Asien durchquert und sind in Äthiopien. Ihr Strahlen ist nicht weniger geworden und das Problem, das sie haben, ist ein ganz harmloses Fans-im-Urlaub-Problem: Zu Hause spielt der FC St. Pauli, es ist die entscheidende Phase im Kampf um den Aufstieg in die erste Bundesliga. Die beiden suchen nach einer TV-Übertragung und finden erst nach Stunden eine. Der FC St. Pauli besiegt zu Hause den FC Augsburg mit 3:0.

Regisseur Bornemann schneidet die Ereignisse im Millerntor-Stadion gegen die Situation in Äthiopien. Genauso wird er es machen bei den weiteren Spielen: Die beschwerliche Reise wird zur Metapher für den Aufstieg – und umgekehrt. Die Botschaft: Beim FC St. Pauli ist es nicht nur der Verein, der auf das Leben seiner Fans wirkt. Es sind auch die Fans, die auf das Schicksal des Vereins wirken.

48 Stunden im Schlamm

Die Botschaft ist ein alter St.-Pauli-Mythos, aber Bornemann vermittelt sie auf unaufdringliche und ausgesprochen charmante Weise. Denn natürlich verschärfen sich die Probleme von Amtenbrink und Volkens schnell. Im Mago-Park von Äthiopien schaffen sie es nicht, einen Fluss zu überqueren, und sitzen 48 Stunden fest. Meterweise kämpfen sie sich nach vorn, ihr Motor hat zweimal Wasserschlag. Zwei Tage später, an der Grenze zu Kenia, legt ein Motorbrand ihren Bulli lahm. Während der FC St. Pauli den Aufstieg besiegelt, werden Kay und Bernd Richtung Nairobi abgeschleppt.

Heute, im Juni 2013, sagt Volkens, das Erlebnis am Fluss sei an der Grenze des Erträglichen gewesen. Zwei Tage hätten sie nur gebuddelt, bis vier Uhr nachts, mit Schluckbeschwerden wegen eines Unfalls mit dem Insektenschutzmittel. „Wir wollten Abenteuer“, sagt Amtenbrink. „Aber das war härter, als ich mir das gedacht hatte.“

Vergessen ist in diesen Situation zu Hause der FC St. Pauli, vergessen ist auch die Kamera, die nebenher läuft. Zu erwarten wäre, dass Amtenbrink und Volkens schlechte Laune kriegen, sich streiten, die Lust verlieren. Aber das passiert nicht. Zwar hat das Strahlen ein Ende, aber nie wird die Reise in Frage gestellt und nie hört die Zuversicht auf, dass sie ihr Ziel erreichen werden. Es ist die Zuversicht von zwei Leuten, die wissen, dass sie ein sehr gutes Team sind.

Was auch damit zu tun hat, dass jeder wertvolles Know-how mitbringt: In Nairobi repariert Volkens den Motor selbst, denn er ist gelernter Flugzeugbauer und schraubt in seiner Freizeit Oldtimer zusammen. Volkens ist einer, der im Nachhinein sagt: „Wir haben uns verändert, aber auch der Wagen hat sich verändert. Das Auto ist der dritte Mann.“ Amtenbrink dagegen kennt den Kontinent schon von vielen vorangegangenen Reisen, außerdem arbeitete er fünf Jahr in Südafrika. Probleme mit Großtieren auf der Fahrt? „Da passiert nichts“, sagt Amtenbrink. „Es gibt nur einen Feind da, das ist die Mücke.“

Während der Bulli als dritter Mann eine wesentliche Rolle in dem Film spielt, ist der vierte Mann der Unternehmung nie zu sehen: Es ist der Filmemacher Joachim Bornemann, der vier Wochen lang mitgefahren ist und filmte – den Rest der Zeit filmten sich Amtenbrink und Volkens selbst. Bornemann ist auch FC-St.-Pauli-Fan, er drehte zum Beispiel die Dokumentation „Sankt Pauli! Rausgehen – Warmmachen – Weghauen“ (2008).

Dass die Reise mit dem Aufstieg des FC St. Pauli zusammenfiel, war ein Glücksfall. Trotzdem hat sich für den Film bislang kein Verleih gefunden, was zur Folge hat, dass Bornemann und seine Firma Brown Sugar Films die Aufführungen selbst organisieren müssen: Sie klappern Festivals und Kinos ab und haben zur Finanzierung dieser Arbeit einen Aufruf auf der Crowdfunding-Plattform Startnext.de gestartet. Jeder, der will, kann für das Projekt spenden und bekommt dafür eine Gegenleistung, vom T-Shirt bis zum gemeinsamen Ausflug im Bulli. 11.700 Euro will Bornemann auf diese Weise sammeln. 3.721 Euro waren es am Freitagmittag. In trockenen Tüchern ist der Kinostart bislang in einigen Kinos in Hamburg und Berlin.

Kay Amtenbrink und Bernd Volkens gaben für die Reise jeweils 10.000 bis 15.000 Euro aus und waren fünf Monate raus aus ihren Jobs. Kay Amtenbrink hat danach bei der Auto Bild angefangen, Bernd Volkens ist in die Redaktion zurückgekehrt. Erledigt ist die Sache mit den Abenteuern allerdings nicht. „Wir überlegen, nach Brasilien zur nächsten WM zu fahren“, sagt Volkens. „Der Bulli läuft noch.“

Premiere: Freitag, 5. Juli, Hamburg, Millerntor-Stadion
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