ENERGIE: Der Kampf um die Kohle

Bei Cottbus will Vattenfall den Abbau von Braunkohle massiv erweitern. 800 Menschen sollen deswegen umgesiedelt werden. Demos pro und contra Kohle.

So sieht es im Vattenfall-Braunkohletagebau im südbrandenburgischen Welzow aus. Bild: dpa

Mahnwachen, Kundgebungen und absehbar eine hitzige Ausschusssitzung an diesem Donnerstag: In Brandenburg tobt der Kampf um die Zukunft der Braunkohle. Der Energiekonzern Vattenfall will den 150 Kilometer südlich von Berlin gelegenen Tagebau Welzow bei Cottbus erweitern, um dort zusätzliche 200 Millionen Tonnen Kohle abzubauen. 550 der 750 in Welzow lagernden Millionen Tonnen Braunkohle sollen bis etwa 2027 abgebaut sein. Für die Erweiterung müssten 800 Menschen umgesiedelt werden. Über die Pläne berät am Donnerstag der Braunkohlenausschuss des Landes Brandenburg in Cottbus.

Betroffene Anwohner, Klimaschutzaktivisten und Politiker wollen vor und während der Sitzung für den Ausstieg Brandenburgs aus der Kohle demonstrieren. Laut Umweltbundesamt ist Braunkohle der fossile Energieträger mit den höchsten klimaschädlichen Kohlendioxid-Emissionen und den höchsten Klimafolgekosten.

Im Braunkohlenausschuss sitzen 17 Kreistagsabgeordnete und Stadtverordnete aus betroffenen Landkreisen und Städten sowie zwölf Vertreter aus Wirtschaft, Bauernverband, Naturschutzverbänden und anderen gesellschaftlichen Gruppen. Ihnen liegen seit vier Wochen die Unterlagen von Brandenburgs oberster Planungsbehörde für die Erweiterung des Tagebaus Welzow vor. Gibt eine Mehrheit ihr Placet, startet im Juni mit der Auslage der Pläne ein Verfahren zur Beteiligung der Öffentlichkeit.

Der Energietisch hat Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) aufgefordert, die BürgerInnen in die Entscheidung über das Berliner Stromnetz einzubeziehen. Im laufenden Konzessionsvergabeverfahren müsse die Öffentlichkeit angemessen beteiligt werden, heißt es in einem offenen Brief vom Mittwoch. Das Beispiel Stuttgart zeige, dass es möglich sei, die Bürger in die Ausgestaltung der Kriterien einzubeziehen, die im Konzessionsvergabeverfahren herangezogen werden. Auch das Abgeordnetenhaus solle beteiligt werden, fordert der Energietisch. Die Parlamentarier sollen die Kriterien am Ende beschließen und nicht der Senat.

Per Volksbegehren will der Energietisch erreichen, dass das Stromnetz rekommunalisiert wird und ein Öko-Stadtwerk gegründet wird. Die Initiative hat bislang 113.000 Unterschriften gesammelt. Wenn sie bis zum 10. Juni 200.000 Unterschriften zusammenhaben, kommt es zum Volksentscheid. (se)

Noch mehr Einwendungen

So ein Verfahren gab es schon einmal – in den Jahren 2011 und 2012. Knapp 5.000 Einwendungen gegen die Pläne brachten Bürger vor – die im brandenburgischen Infrastrukturministerium angesiedelte Planungsbehörde musste ihren Entwurf des Plans überarbeiten.

Für die nächste Beteiligungsrunde erwartet die Brandenburgische Grünen-Landtagsabgeordnete Sabine Niels „noch ein paar tausend Einwendungen mehr“. Denn die Kritik von Bürgern und Fachleuten an der Braunkohleverstromung nehme spürbar zu. „Viele Menschen reagieren mit Entsetzen, wenn sie zum ersten Mal hören, dass in Deutschland tatsächlich noch Menschen für Kohle umgesiedelt werden sollen“, sagte Niels der taz.

Vor den erneuerbaren Energien mit 22 Prozent hat Braunkohle mit 25 Prozent derzeit den größten Anteil am Energieerzeugungsmix in Deutschland. Das werde sich aber ändern, prognostiziert ein im März veröffentlichtes Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zur Notwendigkeit der Tagebau-Erweiterung in Welzow. Letztere sei „energiewirtschaftlich nicht erforderlich“, konstatieren die Autoren. Mehr Kohleabbau in Welzow vertrage sich mit keinem der vier Ziele der Energiestrategie der rot-roten Landesregierung in Potsdam. Die Ziele sind Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit, Umwelt- und Klimaverträglichkeit und gesellschaftliche Akzeptanz. In Auftrag gegeben hat das Gutachten das Landesministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbaucherschutz, dessen Chefin die Linke Anita Tack ist. Dagegen kommt ein Kurz-Gutachten im Auftrag des ebenfalls von der Linken gehaltenen Wirtschaftsministeriums zum Schluss, dass nur die massive Förderung von Gaskraftwerken die Lücke füllen könne, die ein Ende das Kohleabbaus in Welzow und den anderen Tagebauen in Brandenburg und Sachsen hinterlassen würde.

Gegen dieses Ende wehren sich Vattenfall-Beschäftigte vor Ort: Einige Tausend von ihnen mobilisierte die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie schon am Mittwoch zu einer Pro-Kohle-Demonstration in Cottbus.

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