Kommentar Google-Autocomplete-Urteil: Bettina Wulff ohne „Rotlicht“

Wer sich durch Googles automatische Vervollständigung verletzt fühlt, kann das unterbinden lassen – für viel Geld. Aber es gäbe noch andere Varianten.

Jetzt soll es ihn also geben, den Sichtschutz im Google-Fenster: Wer sich davon beleidigt fühlt, dass bei Google-Suchanfragen in Verbindung mit seinem Namen automatisch missliebige Begriffe vorgeschlagen werden, kann sich nun beim Konzern darüber beschweren – und der muss dies unterbinden. Wenn Persönlichkeitsrechte verletzt werden.

Dann werden Menschen, die Bettina Wulff googeln, künftig wohl nicht mehr das Wort „Rotlicht“ vorgeschlagen bekommen, hinter den Namen populärer Fußballer wird vielleicht nicht mehr „schwul“ ergänzt. Und viele werden sich dagegen wehren, mit Wörtern wie „Scientology“ oder „Steuerhinterziehung“ in Verbindung gebracht zu werden.

Ein digitaler Paravent: Es wird nicht mehr automatisch angezeigt, was Nutzer besonders häufig mit einer Person assoziieren, in ein Google-Suchfeld eintippen und anklicken. Gerüchte und Berichte wird man damit weder aus der Welt noch aus den Suchtreffern tilgen. Dennoch dürfte das Urteil auf breite Zustimmung in Deutschland treffen – Google fürchtet man hier wie keinen zweiten Konzern.

Technisch sind derartige Eingriffe kein Problem. Wenn es um Gewalt, Pornografie oder Urheberrechtsverletzungen geht, blockiert Google seine automatische Vervollständigung schon heute. Fraglich ist allerdings, wie der Konzern künftig bei einer Flut von Beschwerden entscheiden soll, welche Begriffe tatsächlich Persönlichkeitsrechte verletzen – und welche nur das Selbstbild oder den guten Namen des Betroffenen.

Google könnte es künftig auf langwierige und teure Prozesse ankommen lassen. Dann wäre es eine Geldfrage, seinen Namen reinwaschen zu lassen. Ein Privileg, das sich viele schlicht nicht werden leisten können.

Selbstdarstellungsprinzip

Eine weitere Variante wäre, dass Google einfach so reagiert, wie seine Tochter YouTube bei Urheberrechtsbeschwerden: Was beanstandet wird, wird blockiert. Unbesehen. Sodass jeder selbst entscheiden darf, was ihn schlecht dastehen lässt. Wenn allerdings jeder mitreden darf, welche Worte im Netz mit ihm assoziiert werden dürfen, dann ist das der Anfang von einem Internet, das immer mehr nach dem Selbstdarstellungsprinzip von Facebook funktioniert.

Oder aber Google zieht die Reißleine und verzichtet in Deutschland völlig auf die Autocomplete-Funktion. Für alle Beleidigten vielleicht besser. Für alle anderen nicht.

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