Ezra Koenig von Vampire Weekend: „Das ist mein Hobby, kein Job“

Ezra Koenig, Gitarrist und Sänger von Vampire Weekend, mag nicht erwachsen werden, hält nichts vom New York- Mythos und sieht HipHop als einen Teil der Postmoderne.

„Jeder hört HipHop“, sagt Bandleader Ezra Koenig (ganz rechts, mit Chris Tomson, Chris Baio, Rostam Batmanglij). Bild: XL Recordings

taz: Herr Koenig, auf die Gefahr hin, dass Sie mich schlagen, drei Thesen: Afro Beat ist vorbei, Vampire sind tot und das Konzept des Wochenendes haben wir hinter uns gelassen. Wozu noch Vampire Weekend?

Ezra Koenig: Ich spare mir meine Kampfkünste für Momente auf, in denen ich sie wirklich brauche. Ich würde sagen, wir haben sowohl den Vampir als auch das Wochenende transzendiert. Der Vampir war die These, das Wochenende die Antithese, Vampire Weekend sind die Synthese. Wer an Wochenende und Vampire denkt, denkt an uns.

Ist Afro-Beat mit „Modern Vampires of the City“ für Vampire Weekend nun Geschichte?

Afrikanische Musik wird immer Teil unseres Sounduniversums sein. Die neuen Songs klingen funky, aber wir sind ein bisschen weiser geworden und müssen daraus keine große Sache mehr machen – hoffentlich geht es anderen ähnlich.

Ihr Albumtitel „Modern Vampires of the City“ ist ein Zitat: Junior Reid, Wu-Tang Clan, Game – sie alle haben einen Song gleichen Titels. Warum haben Sie dies aufgegriffen?

Ich interessiere mich sehr für die Vampir- und Zombie-Metaphern im Dancehall und im HipHop. Sie sind Symbol von Babylon, für Raffgierige, die von den Unterdrückten nehmen. Wenn man über die Welt nachdenkt, ist es wichtig, über diesen Trieb aus Selbstsüchtigkeit und Gier zu reflektieren. Der steckt nicht nur in den Bankern, sondern in uns allen. Das ist die eine Bedeutung. Andererseits kann man den Titel wörtlich nehmen: „Moderne Vampire in der Stadt“ – und es könnte für ein Album über Manhattan keinen besseren Titel geben.

Wie ist der Titel mit New York verbunden?

Es gibt viele Arten, ein Vampir zu sein. Wenn man den Titel liest, weiß man sofort, dass keine richtigen Vampire gemeint sind. Wer sind moderne Vampire der Stadt? Dracula auf keinen Fall. Aber die Nacht ist zentraler Aspekt in fast allen Songs.

Ezra Koenig, 29, Sänger und Gitarrist von Vampire Weekend, fing zu College-Zeiten an, Musik zu machen. Dort bildete er zusammen mit seinem Bandkollegen Chris Tomson die Rap-Crew L'Homme Run. Der Name Vampire Weekend entstammt einem gleichnamigen Vampirfilm, den Koenig in den Semesterferien mit Freunden drehte.

Aufgrund ihrer gemeinsamen Studienzeit an der New Yorker Columbia University wurde der Band oft vorgeworfen, elitär zu sein, gerade in ihrer Aneignung von Weltmusik-Einflüssen. Schon mit ihrem Debütalbum haben sie diese Einflüsse in den Mainstream getragen. Der Nachfolger „Contra“ (2010) setzte die Motive des Debüts geschickt und kommerziell erfolgreich fort.

Am Freitag erscheint mit „Modern Vampires of the City“ (Matador/XL/Rough Trade) ihr drittes Album. Die Musik ist ihrer Heimatstadt New York gewidmet und gibt sich dunkler und nachdenklicher als die der Vorgänger.

Ist New York eher Mythos oder einfach Ihr Lebensmittelpunkt?

Leute, die sagen: Oh, das New York der Siebziger war so cool, so gefährlich, finde ich langweilig. Aber eine aufregende Metropole als Reflexionsgegenstand finde ich unerschöpflich. Meine Verbindung zu New York ist ansonsten rein persönlich: Ich wurde dort geboren.

Auch HipHop entstand in New York. Auf Ihrem Album finden sich zahlreiche HipHop-Referenzen. Was bedeutet das Genre für Sie?

Jeder hört HipHop. Wir versuchen, das aber nicht in den Vordergrund zu stellen. Andererseits muss man sich für Referenzen nicht schämen. Wir machen Musik in der HipHop-Ära, in der Ära von Kanye West – so sehe ich die Gegenwart. Deswegen sind wir noch lange keine Rapper, aber in unserer Herangehensweise an Pop können wir nicht anders, als von HipHop beeinflusst zu sein. Wir streuen gerne Referenzen ein, unser Schlagzeug soll fett klingen – die Art, wie HipHop produziert wird, beeinflusst uns maßgeblich.

Sie haben Ihre drei bisherigen Alben als Trilogie bezeichnet. Warum?

Das aktuelle Album ist auf jeden Fall „The Dark Knight Rises“ (lacht). Wenn man ihnen einen erzählerischen Rahmen geben müsste, würde ich sagen, dass sie alle denselben Charakteren folgen. Das Debüt ist etwas überheblich, es geht um die Jugend, den Frühling. Das zweite Album zeigt den Auszug in die weite Welt. Nun war es Zeit, nach New York zurückzukehren, das passiert in einer ganz anderen Stimmung als noch beim Aufbruch aus der Stadt. Es ist ein klassisches Muster jeder Trilogie: Von hier nach dort und wieder zurück. Ich denke, das ist auch ein Grund, warum die Zahl drei in der Kunst weitverbreitet ist. Zahlensymbolische Simplizität. Eins, zwei, drei: Das ergibt Sinn.

Ist es in dieser Weise auch mit Ihrem Leben verknüpft? Beim Debütalbum besuchten sie noch das College, nun sind sie erwachsen. Haben Sie dann beim nächsten Werk Kinder?

Das möchte ich möglichst lange aufschieben. Ich will nicht, dass Vampire Weekend erwachsen wird. Ich weiß nicht, was als nächstes kommt, aber ich fühle mich sehr frei. Wir sind an einem Punkt, wo wir überallhin gehen können, weil wir mit der Trilogie ein Kapitel abgeschlossen haben.

Können Sie dieses Gefühl des Nicht-erwachsen-werden-Wollens genauer beschreiben?

Für mich heißt erwachsen zu sein nicht, intelligent zu sein. Es heißt nicht, erfahren zu sein. Es ist eine gespielte Ernsthaftigkeit. Vor allem für Musiker ist das gefährlich: Man fängt an, sich professionell aufzuführen, ist völlig von sich eingenommen. Musik ist mein Hobby, eine Leidenschaft und nichts, was ich als Job machen kann. Für uns bedeutet, nicht erwachsen werden zu wollen, verspielt zu bleiben. Und das, obwohl unsere Songs von sehr ernsthaften Themen handeln.

Ihr Album heißt „Modern Vampires of the City“, ist Ihre Herangehensweise nicht eher postmodern?

Richtig, ich stimme mit vielen Ideen der Postmoderne überein. Dass es keine großen Erzählungen mehr gibt, dass es in der Musik nicht mehr diese Idee gibt, Teil einer großen Rockgeschichte zu sein. Die Geschichte ist abgeschlossen, wir leben im Post-HipHop-Zeitalter. Ich wurde 1984 geboren, im gleichen Jahr erschien das Debütalbum von Run DMC. Dazu habe ich einfach eine engere Verbindung. HipHop ist entscheidender Teil postmoderner Kunstgeschichte, was Sachen wie Rekombination anbelangt. Insofern würden wir uns eher da verorten, auch wenn manche philosophische Ideen der Postmoderne sich heutzutage etwas albern anhören.

Würden Sie sich als intellektuell bezeichnen?

Wir waren alle am College, uns wurde deshalb oft vorgeworfen, wir seien elitär. Ich glaube, wir sind die am wenigsten elitäre Band ever. Intellektuell sind wir in dem Sinn, dass wir unsere Gehirne einschalten; dass wir über Musik und ihre Bedeutung reden; dass wir reflektieren, was wir machen. Man merkt doch auch, dass RZA schlau ist, wenn man seine Biografie liest. Ist die Musik vom Wu-Tang Clan deshalb intellektuell? Eher nicht. Natürlich hatte RZA eine Vision, er hat äußerst exakt über die Bedeutung der Zeichen nachgedacht, die er für seine Musik benutzt hat. Selbstverständlich ist das intellektuell.

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