Gotteslästerung ist kein Problem: Vom Grundgesetz gedeckt

Die Religionsfreiheit schützt nicht vor Schmähungen, sind sich hochrangige Juristen auf einer Tagung in München einig.

Macht man sich in Deutschland über Religionen lustig, müssen religiöse Menschen das aushalten, finden selbst konservative Juristen. Bild: dpa

MÜNCHEN taz | Eine Verschärfung des Blasphemieverbots, wie sie immer wieder aus Kreisen von CDU/CSU oder der katholischen Kirche gefordert wird, verstößt gegen das Grundgesetz. Zu diesem Ergebnis kam eine hochrangig besetzte Juristentagung am Wochenende in München. Selbst der konservative Staatsrechtler Josef Isensee erklärte, eine Ausweitung der Strafbarkeit sei „nicht gangbar“. Der Ex-Verfassungsrichter Winfried Hassemer plädierte sogar für eine völlige Streichung des Gotteslästerungs-Paragrafen.

Seit 1969 ist die „Beschimpfung von Bekenntnissen“ in Deutschland nur noch strafbar, wenn sie „geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“. Der Unions-Fraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) hatte im Streit um den plump-antimuslimischen Mohammed-Film Ende 2012 gefordert, diese Einschränkung wieder zu streichen, weil sonst „leicht erzürnbare Muslime“ in Deutschland besser geschützt seien als „duldsame Katholiken“.

Tatsächlich führen die Blasphemie-Paragrafen kaum noch zu strafrechtlichen Verurteilungen – im Jahr 2011 waren es bundesweit ganze sechs. Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten entschied Anfang 2012 sogar, dass die katholische Kirche – wie angesichts des häufigen Kindesmissbrauchs durch Pfarrer geschehen – als „Kinderficker-Sekte“ bezeichnet werden darf.

„Im Meinungskampf gibt es keinen Schutz der Religion“, betonte Isensee. Es gehöre zu den „unvermeidlichen Zumutungen einer pluralistischen Gesellschaft, die Freiheit der anderen auszuhalten“. Verfassungsrichter Johannes Masing verwies auf die Karlsruher Rechtsprechung, wonach selbst eine „Vergiftung des geistigen Klimas“ nicht das Verbot von Meinungsäußerungen rechtfertigte. Die Religionsfreiheit schütze die Freiheit der Religionsausübung. Daraus ergebe sich aber kein Anspruch, vor Kritik bewahrt zu werden.

Einen Dissens gab es dann aber doch. Isensee wollte mit Hilfe des Polizeirechts zumindest Gefahren abwehren. „Die Mohammed-Karikaturen müssen gezeigt werden können, aber nicht unbedingt vor der Moschee während des Freitagsgebets.“ Zur Wahrung der „öffentlichen Ordnung“ könne die Polizei einen gewissen Abstand durchsetzen. Das lehnen seine Kollegen aber überwiegend ab. „Damit würde die Meinungsfreiheit dann doch wieder unter den Vorbehalt des Common Sense gestellt“, kritisierte Verfassungsrichter Johannes Masing. Er ist in Karlsruhe für die Meinungsfreiheit zuständig.

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