„LateLine“ und „nate light“: Wilde Spartenkanäle

„Roche und Böhmermann“ sowie „neoParadise“ sind nicht mehr. Nun suchen ARD und ZDF krampfhaft nach Anarchischem für junge Zuschauer.

Moderator Philip Simon versucht's mit Humor bei „nate light“. Bild: dpa

„Sag es nicht, ich kotz gleich“, ruft Charlotte Roche in Richtung Markus Lanz. Der sagt es natürlich trotzdem: „Ich mag eure subversive Art.“ So geschehen bei „Roche und Böhmermann“, das von März bis Dezember letzten Jahres auf dem bald eingesparten Digitalkanal ZDFkultur lief.

Lanz fand die einstündige Talkrunde bei Schwarzlicht, mit Whiskey, Zigaretten, betrunkenen Gästen und einem pöbelnden Moderatorenpaar subversiv. Hip, befand man auf den Medienseiten der Zeitungen. Und das vom Sender anvisierte junge Publikum fand „Roche und Böhmermann“ auch toll, ZDFkultur vermeldete eine Quote von 0,6 Prozent der 14- bis 49-Jährigen statt der sonst bei dem Sender üblichen 0,2 Prozent.

Nur – Charlotte Roche weiß das – ist es eben nicht so leicht, tatsächlich noch cool zu sein, sobald man erst mal offiziell bestätigt bekommen hat, dass man genau das ist. Dann muss man nämlich so tun, als sei einem das egal, und das klappt dann meistens nicht mehr ganz so lässig. Bei den Senderverantwortlichen der ZDF-Digitalableger zumindest hat die Erkenntnis, dass junge Zuschauer ihr Programm wirklich gucken könnten, offenbar eher Kreativitätsverspannungen ausgelöst.

Denn nachdem Roche und Böhmermann wegen angeblicher Unstimmigkeiten mit der Produktionsfirma hinschmissen und „neoParadise“ auf ZDFneo – die zweite Show, die wusste, dass sie cool war, und es trotzdem blieb – mit Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf unter neuem Namen („Circus Halli Galli“) im Februar zu Pro Sieben abwanderte, musste man ja irgendwie weiter wilde Sparte spielen. Schon der Quote wegen.

„nate light“ mit Moderator Philip Simon, ein wöchentlicher Mix aus Stand-up-Comedy und Talk, soll das nun seit vergangen Donnerstag für ZDFneo erledigen. Und scheitert. Weil Simon leider alles komplett ernst meint: sich selbst, das Schnapstrinken mit den Gästen, das sowieso niemand mehr charmanter hinbekommen wird, als es bei „Roche und Böhmermann“ war. Am schlimmsten aber ist, dass Simon auch Gäste wie den selbst ernannten Wahrsager Jan Becker ernst nimmt und dessen Künste gar mit einer völlig falschen Vokabel, nämlich „großartig“, versieht.

Gut gepöbelt, Böhmermann!

Es wäre auch nicht das passende Wort für das, was Jan Böhmermann seit Anfang April bei der digitalen Konkurrenz der ARD macht. „LateLine“ heißt der zweiwöchentliche Live-Talk auf Eins Plus, dem ARD-Sender, der auch gerne wilde Sparte sein will. Es gibt dabei ein glücklicherweise unernstes Thema („Todesfalle Internet“), und wer Lust hat, sich von Böhmermann fertigmachen zu lassen, kann anrufen und etwas dazu erzählen.

Und weil Böhmermann das Pöbeln nicht verlernt hat („Schämst du dich wegen Hartz IV? Sag mal!“) und die Anrufer ausreichend verschrobene Geschichten über Onlinedating erzählen, ist das mitunter auch ganz unterhaltsam. Doch richtig gut ist Böhmermann erst, wenn ihm jemand zuspielt. Manchmal retten es verrückte Anrufer, dazwischen ist es zäh. „Todesfalle zwei Stunden Livesendung“, sagt Böhmermann gegen Ende der ersten Sendung.

ZDFneo soll angeblich mit Böhmermann über ein neues Late-Night-Format verhandeln. Vielleicht löst sich ja bis dahin die „nate light-“, ähm, Late-Night-Blockade.

„nate light“, donnerstags, 22.15 Uhr, ZDFneo. „LateLine“, 14-tägl. donnerstags, 23 Uhr, EinsPlus.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.