Japan zwei Jahre nach dem Tsunami: Die Tücken des Wiederaufbaus

Die Trümmer sind beseitigt, die Wirtschaft wächst. Doch es gibt Konflikte zwischen Ämtern und Betroffenen, sagt Shinichi Sakaguchi von der Wiederaufbaubehörde.

Suche nach Vermissten nach dem Tsunami vor zwei Jahren. Bild: reuters

BERLIN taz | Japan hat am Montag der Opfer der Erdbeben-, Tsunami- und Atomkatastrophe von vor zwei Jahren gedacht. Um 14.46 Uhr, als am 11. März 2011 ein Beben der Stärke 9,0 die Nordostküste traf, legten viele Japaner eine Schweigeminute für die rund 19.000 Toten ein. Sie waren fast alle Opfer des Tsunamis.

„Noch leben 315.000 Menschen in Notunterkünften,“ sagt Shinichi Sakaguchi, Direktor der im Februar 2012 gegründeten Wiederaufbaubehörde, der taz. Er ist Direktor für Infrastruktur sowie die vom Tsunami schwer getroffene Präfektur Miyagi.

„Wir müssen den Wiederaufbau beschleunigen“, sagt Sakaguchi. Das meint er weniger selbstkritisch denn als Ansporn. Zwar seien die Trümmer beseitigt und die Wirtschaftsleistung der betroffenen Region betrage wieder 70 Prozent des Niveaus vor der Katastrophe. Aber der Aufbau jenseits der Hauptinfrastruktur beginne erst.

Erst fünf Prozent geschafft

Laut Japans Medien sind erst 5 Prozent wiederaufgebaut. Sakaguchi nennt keine eigene Zahl, bestätigt aber, dass knapp die Hälfte des Wiederaufbaubudgets von umgerechnet 204 Milliarden Euro ausgegeben sei. „Das Geld haben die Kommunen für drei Jahre bekommen“, sagt er. Für den Aufbau seien zehn Jahre veranschlagt. Und die seien auch nötig.

„Ich dachte auch erst, wir brauchen zu lange für die Planung. Aber erst mussten Opfer geborgen, Trauer verarbeitet und die Versorgung der Überlebenden organisiert werden, bevor neu geplant werden konnte“, sagt Sakaguchi. „Im Vergleich zum Aufbau nach dem Kobe-Erdbeben 1995 sind wir nicht langsamer.“ Dabei könne nach dem Tsunami nicht an gleicher Stelle wiederaufgebaut werden, sondern nur in höher gelegenen Gebieten. Diese Flächen müssten erst geschaffen werden.

Ländliche Region betroffen

„Größtes Problem ist, dass die Katastrophenregion sehr ländlich und die Bevölkerung sehr alt ist. Was Behörden und Betroffene wollen, ist nicht unbedingt gleich“, erläutert Sakaguchi. Die Behörden würden den Aufbau zum überfälligen Strukturwandel nutzen, ältere Bewohner aber möglichst wenig ändern wollen. Doch planten auch die Kommunen zum Teil unrealistisch: „Sie gehen von ihrer gewohnten Größe aus und wollen, dass Tokio entsprechend zahlt.

Doch wegen Abwanderung und Überalterung müssen bei einer Ansiedlung in höheren Gebieten gar nicht so viel Wälder abgeholzt und Berge planiert werden.“ Zugleich wertet Sakaguchi die Einbeziehung der Bevölkerung als sehr positiv und dass viele Orte überhaupt erstmals eine Planung hätten.

Bürgerbeteiligung sei jedoch nicht einfach: „Die Wünsche der Menschen ändern sich im Lauf der Zeit.“ In manchen Orten wurde schnell geplant, doch jetzt in der Bauphase werde wieder umgeplant, was zu Verzögerungen führt. „Wir können niemandem aufzwingen, was er nicht will“, sagt Sakaguchi. Das gelte auch für neue Bauvorschriften. „Wer ein Haus zu nah am Wasser bauen will, darf das nicht mehr. Wessen Haus dort aber dem Tsunami standhielt, den können wir jetzt nicht zum Umzug zwingen.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.