Neues Polizeigesetz in Sachsen-Anhalt: Alle Handys tot, wegen Terror

Handynetze abschalten, präventives Skype-Abhören, mehr Videoüberwachung: Sachsen-Anhalt plant ein restriktives Polizeigesetz. Die Opposition ist empört.

Und plötzlich hört das Gespräch auf. Bild: ap

DRESDEN taz | In Sachsen-Anhalt könnten im Gefahrenfall bald Mobilfunknetze abgeschaltet werden, um beispielsweise Terroranschläge oder Geiselnahmen zu verhindern. Außerdem sieht die Novelle des „Gesetzes über die Öffentliche Sicherheit und Ordnung“ die Möglichkeit des präventiven Abhörens von Skype-Internettelefonaten am Privat-PC und weit reichende Kompetenzen der Polizei bei der Erfassung von Handy-Gesprächsinhalten mittels sogenannter Imsi-Catcher vor. Außerdem sollen Kommunen konsequenter gegen öffentlichen Alkoholkonsum vorgehen dürfen.

Sachsen-Anhalt scheint Sachsen damit den zweifelhaften Rang ablaufen zu wollen, eines der restriktivsten Polizeigesetze der Republik zu besitzen. Schon Anfang Dezember hatte Sachsen-Anhalts schwarz-rote Koalition mit dem Plan, DNA-und Infektionstests für sogenannte Risikogruppen anordnen zu lassen, für überregionales Aufsehen gesorgt.

Dabei wird die Novelle des Polizeigesetzes aus dem Jahr 1991 schon seit etwa vier Jahren vorbereitet. Eine Anpassung an die laufende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und an veränderte Bedingungen sei geboten, sagt der SPD-Innenpolitiker Rüdiger Erben, der bis 2011 Innen-Staatssekretär war. Denn vor 20 Jahren hätten potenzielle Attentäter „noch einen Kurzzeitwecker statt eines Handys als Zünder benutzt“, so Erben zur taz.

Der Gesetzentwurf von Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) stammt vom Juli dieses Jahres. Erst durch eine Landtagsanhörung Mitte Dezember waren Medien auf verfassungsrechtlich bedenkliche Details aufmerksam geworden.

SPD will mitmachen

Rüdiger Erben kann die Aufregung nicht verstehen. „Eine Mobilfunk-Abschaltung wäre heute schon nach der polizeilichen Generalklausel möglich“, behauptet er. Voraussetzung sei „eine akute Gefahr für Leib und Leben“, fügt er hinzu. Dass dafür eine richterliche Genehmigung erst im Nachhinein eingeholt werden müsse, entspreche der gängigen Praxis, die unverzügliches Handeln erfordere.

Nach gegenwärtigem Stand von Technik und Software sei auch die sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung im heimischen PC noch nicht möglich, weil sie nicht sauber von einer Trojaner-Ausspähung des gesamten Rechners zu trennen sei. Und einen Imsi-Catcher müsse sich das Land Sachsen-Anhalt auch erst ausleihen.

Die SPD will den Gesetzentwurf ihres Koalitionspartners – bis auf den Infektionsschutz-Paragrafen – im Wesentlichen mittragen. Die meisten Experten bei der Landtagsanhörung äußerten allerdings Bedenken, insbesondere gegen präventive Onlinedurchsuchungen. Die Linksfraktion stößt sich besonders an der geplanten Ausweitung von Videokontrollen, die ihrer Meinung nach vor allem auf Demonstrationen zielt. „Innenminister Stahlknecht verlässt das Fundament des Rechtsstaates“, kritisiert auch die FDP, die nicht mehr im Landtag von Magdeburg vertreten ist.

In Sachsen-Anhalt selbst aber sträubt sich auch der Datenschutzbeauftragte Harald von Bose. Er vermisst eine ausgewogene „Überwachungs-Gesamtrechnung“ und sieht den „Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung“ mit den neuen Datenerfassungs- und Observationsmöglichkeiten beeinträchtigt. Die CDU hat mittlerweile Korrekturen am Entwurf angekündigt, vorrangig bei den geplanten Bluttests. Voraussichtlich im März soll sich der Landtag abschließend mit der Novelle befassen.

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