Pro und Contra NPD-Verbot: Raus aus der Legalität

Die NPD will nicht nur die Demokratie abschaffen, sie bedroht viele Menschen mit physischer Gewalt. Ein klares Ja zum Verbot.

Anhänger der NPD zum 60. Jahrestag des Kriegsendes 2005 in Berlin. Bild: dapd

Demokratie bedeutet Herrschaft des Volkes. In einer lebendigen Demokratie muss es möglich sein, sich frei und uneingeschränkt zu versammeln, seine Meiung zu äußern, zu demonstrieren und sich in Vereinen, Verbänden und Parteien zusammenzuschließen. Parteien als Träger des Volkswillens genießen dabei in der Bundesrepublik einen besonderen Schutz.

Demokratie heißt auch, sich langmütig zu zeigen gegenüber den Feinden der Demokratie. Wer glaubt, ein absolutistisches Königreich sei die bessere Staatsform, der soll das ruhig sagen dürfen. Wer die Auffassung vertritt, bei den Nazis sei doch gar nicht alles so schlecht gewesen, ist zwar ein Idiot, aber deshalb nicht unbedingt ein Fall für die Justiz.

Die NPD hingegen ist so ein Fall. Sie sollte verboten werden – auch wenn das keine leichte Entscheidung ist. Denn bei dieser Frage dürfen zunächst einmal taktische oder praktische Argumente keine ausschlaggebende Rolle spielen. Dann ist es beispielsweise nicht entscheidend, ob es den Kadern dieser Neonazi-Truppe nach einem Verbot gelingen könnte, einen anderen Verein zu gründen (auch wenn das verboten wäre, es könnte doch geschehen).

Genauso wenig darf von zentraler Bedeutung sein, ob ein NPD-Verbot nun dazu führen würde, den grassierenden Neonazismus in Deutschland erfolgreich einzudämmen (das würde natürlich nicht geschehen). Und schließlich darf auch keine große Rolle spielen, ob eine in den Untergrund getriebene NPD-Truppe dann noch ordentlich vom Verfassungsschutz beobachtet werden könnte (der auch jetzt schon versagt hat).

Es geht einzig und allein um die Frage, ob diese Partei „nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger“ darauf aus ist, „die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden“. So lautet auszugsweise der entsprechende Artikel 21, Absatz 2 des Grundgesetzes.

Man braucht nur Augen und Ohren

Es bedürfte keiner Materialsammlung der Innenminister, um diese Frage zu bejahen. Wer Augen hat zu sehen, wer Ohren hat zu hören, der weiß, dass die NPD und ihre Kader diesen Staat abschaffen wollen, zugunsten eines völkisch-national gesinnten Gebildes, in dem andere Parteien verboten, deren Vertreter aufgehängt und die Meinungsfreiheit abgeschafft werden soll. Ohne dem Bundesverfassungsgericht vorgreifen zu wollen: Es ist offensichtlich, dass die NPD verboten werden kann.

Bleibt die Frage, ob die NPD auch verboten werden soll. Denn auch wenn eine Partei die Demokratie zerstören will, dann kann man sie zwar durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts verbieten, man muss es aber nicht tun.

Bei dieser Frage kommen sehr wohl die praktischen Argumente ins Spiel. Zwei Gründe sind es vor allem, die ein Verbot nicht nur rechtfertigen, sondern gebieten. Da ist erstens die staatliche Parteienfinanzierung, von der die Neonazi-Partei profitiert, solange sie legal bleibt. Es ist den Bürgern dieses Landes schlicht unzumutbar, dass der Staat eine Vereinigung finanziert, die potenziell alle Demokraten bedroht. Alle anderen Versuche, der NPD die Wahlkampffinanzierung zu entziehen, scheitern aber am Grundsatz der Gleichbehandlung aller legalen Parteien.

Der Staat muss schützen

Zweitens sind wir verpflichtet, denjenigen genau zuzuhören, die am meisten unter der Propaganda und den Taten der NPD zu leiden haben. Es kann sehr unterhaltsam sein, in Ausschüssen, auf Podien oder bei einem Glas Wein über die Gefährlichkeit des Rechtsextremismus zu debattieren. Aber es ist etwas ganz anderes, wenn man – etwa als Dunkelhäutiger – manche Landkreise nicht mehr betritt, aus berechtigter Furcht, dort überfallen zu werden.

Mitglieder der NPD bedrohen regelmäßig Angehörige von Minderheiten – Migranten, Juden, Nichtdeutsche und andere – mit physischer Gewalt und greifen ihre körperliche Unversehrtheit an, oder, um deutlicher zu werden, sie verprügeln sie auf offener Straße. Migrantenverbände, der Zentralrat der Juden und weitere Gruppierungen verlangen aus guten Gründen schon lange ein Verbot der NPD.

Sie haben Recht. Eine Partei, deren Mitglieder danach trachten, einen Teil der Bevölkerung zu verletzen oder zu töten, darf nicht legal sein. Eine Partei, die offen dafür agitiert, manche hier lebende Menschen aus dem Land zu werfen, kann nicht von den Steuergeldern genau dieser Bürger finanziert werden.

Ein NPD-Verbot markiert nicht die Hinwendung zum starken Staat. Es wäre vielmehr ein Zeichen dafür, dass der Staat seine potenziell bedrohten Staatsbürger zu schützen weiß.

Hier geht es zum zweiten Teil des Pro und Contras – das Nein zum NPD-Verbot – von Christian Rath.

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Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024

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