Wilde Berliner Bezirke: "Wir sind nicht zuständig"

Norbert Schmidt, Sozialstadtrat von Steglitz-Zehlendorf, über dringend benötigte Einrichtungen für Flüchtlinge.

Wohnlich sieht anders aus: Flüchtling in seiner Unterkunft. Bild: dapd

taz: Herr Schmidt, ist Steglitz-Zehlendorf ein unmenschlicher Bezirk?

Norbert Schmidt: Ach wo, sehr liebenswert. Deswegen ziehen doch so viele Menschen hierher.

Aber Sie und Neukölln geben den wenigsten Asylbewerbern in ganz Berlin Herberge.

Das stimmt ja nicht. Wir haben zum Beispiel eine Einrichtung für unbegleitete Jugendliche. Alle unbegleiteten Jugendlichen, die in Berlin anlanden, werden bei uns in Steglitz-Zehlendorf untergebracht. Hierfür halten wir 53 Plätze vor. Und wir haben eine Einrichtung in Nikolassee mit über 60 Plätzen.

Lichtenberg hat 1.200 Plätze: Wieso weisen Sie nicht mehr Plätze für Verfolgte und Flüchtlinge aus?

Wir weisen nicht aus, weil wir nicht zuständig sind. Und zwar – anders als in anderen Fragen – ganz unbestritten nicht zuständig sind. Da sagt das Landesamt für Gesundheit und Soziales: „Wir sind Herr des Verfahrens!“ Ich prüfe in dessen Auftrag lediglich, ob ein Objekt für Asylsuchende geeignet ist.

Und sagen dann gern: Nein.

Ich sage nur dann Nein, wenn es sein muss. Ich hatte zum Beispiel eine Anfrage zu einem Objekt Am Stichkanal. Das ist aber ein gefährdetes Gebiet, wo man nicht wohnen darf. Und wo Erna Kawuttke aus Zehlendorf nicht leben darf, da kommt bei mir auch Ali aus Syrien nicht hin. Asylbewerber sind doch nicht Menschen zweiter Klasse!

Haben Sie mal eine Asylunterkunft von innen gesehen?

Aktuell nicht. Aber ich weiß, dass die Unterkunft in Nikolassee – ein ehemaliges Seminargebäude – recht respektabel sein soll. Allerdings: Die Auslastung liegt bei 140 Prozent.

Total überbelegt also.

Ja, das verstehe ich auch nicht.

Wieso ändern Sie das nicht?

Noch mal, Asylbewerber sind nicht meine Kunden. Das Landesamt ist dafür verantwortlich, die Plätze für die verfolgten Menschen zur Verfügung zu stellen und sie zu verpflegen.

Wie oft wurden Sie gefragt?

Viermal. Einmal habe ich das Objekt abgelehnt – wegen denkbarer Gefährdung durch angrenzende Betriebe. Dreimal habe ich gesagt, das Objekt kann man nutzen. Aber nur einmal hat das Amt zugegriffen. Das ist schon seltsam, oder?

Selbst Ihrem Parteifreund Sozialsenator Mario Czaja ist das zu wenig. Er will bei säumigen Bezirken wie Ihrem Einrichtungen beschlagnahmen.

Ich lass das mal so stehen, was Herr Czaja ankündigt. Konfiszieren könnte er ja nur Objekte, die in unserem Besitz sind. Aber alle vom Bezirk nicht genutzten leer stehenden Gebäude sind längst dem Liegenschaftsfonds übertragen worden. Herr Czaja müsste also seine Truppen dorthin schicken, um Gebäude zu beschlagnahmen.

Vielleicht will Czaja eine andere CDU als die des Innensenators Dieter Heckelmann aus den 90er Jahren, dessen Sprecher Sie waren?

Das will ich mal hoffen, dass wir 2012 eine andere CDU sind als kurz nach der Wende. Es wird so getan, als würde der Norbert Schmidt immer Nein, Nein zu den armen Asylbewerbern sagen. Tu ich aber gar nicht. Hier stehen zwei geeignete Objekte frei, und ich sage: Ja.

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