GESCHWISTER-SCHOLL-PREIS: Ehemaliger Odenwald-Schüler geehrt

Die Odenwaldschule war die Hölle seiner Kindheit. Andreas Huckele schrieb ein Buch über den Missbrauch – und wurde dafür mit dem Geschwister-Scholl-Preis geehrt.

Andreas Huckele alias Jürgen Dehmers veröffentlichte seine Erlebnisse erst nach Jahren. Bild: dpa

MÜNCHDEN dpa | Der als Kind an der Odenwaldschule missbrauchte Autor Andreas Huckele ist am Montag mit dem Geschiwster-Scholl-Preis ausgezeichnet worden. Er erhält die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung für sein Buch „Wie laut soll ich denn noch schreien? Die Oswaldschule und der sexuelle Missbrauch“.

Huckele, der das Buch unter Pseudonym geschrieben hatte, verlangt für die Opfer sexuellen Missbrauchs an Einrichtungen wie der Odenwaldschule in Hessen eine angemessene Entschädigung. „Man kann sowas nicht wieder gutmachen, man kann es anerkennen, indem Summen Geld gezahlt werden, die die Betroffenen nicht beleidigen oder erneut beschämen“, sagte er vor der Preisverleihung in München. Was derzeit ausbezahlt werde, seien „peinliche Beträge“. Um den vielen Opfern allein an der Odenwaldschule zu helfen, schlug er einen Fonds mit einem Volumen von fünf Millionen Euro vor.

In seinem Buch schildert er, was ihm und anderen Jugendlichen während der Schulzeit in der einstigen pädagogischen Vorzeige-Einrichtung angetan wurde. Er schildert auch die Folgen des sexuellen Missbrauchs, Traumatisierung, Gefühle der Ohnmacht, Angst, Wut und Ekel, bis hin zu Suchtkrankheiten und Suizidgefahr.

Huckele fordert die Schließung der Schule. Er halte das System dort für nicht reformierbar, sagte er.

Der Vorsitzende des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Jörg Platiel, sprach dem 43-Jährigen seine Anerkennung aus. "Sein Buch ist ein herausragendes Beispiel für Mut, Zivilcourage und geistige Unabhängigkeit", sagte Platiel. Wer dieses Schweigen breche und darüber auch noch ein Buch schreibe, stehe in der Tradition der Geschwister Scholl. Der Preis erinnert an Hans und Sophie Scholl, die in der Gruppe "Weiße Rose" Widerstand gegen das Nazi-Regime geleistet hatten und dafür von den Machthabern hingerichtet worden waren.

Das Buch hat Huckele unter dem Pseudonym Jürgen Dehmers veröffentlicht. Anlässlich der Preisverleihung entschloss er sich jedoch vergangene Woche, seine Identität offenzulegen.

Neuer Leiter der Odenwaldschule

Indes wurde bekannt, dass der neue Schulleiter Siegfried Däschler-Seiler im kommenden Jahr nach den Sommerferien sein Amt an der Odenwaldschule aufnehmen wird. Mit ihm will die nach Hunderten von Fällen sexuellen Missbrauchs in die Schlagzeilen geratene Schule einen Neuanfang schaffen. Däschler-Seiler ist akademischer Oberrat an der Pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg.

Die Mitgliederversammlung des Trägervereins der Schule habe den neuen Leiter am Samstag mit einer Zweidrittelmehrheit gewählt, hieß es. Dem vorausgegangen sei erstmals ein Auswahlverfahren. Es habe anfangs 13 Bewerber gegeben.

Die zur Entschädigung der Missbrauchsopfer gegründete Stiftung "Brücken bauen" hat nach Mitteilung der kommissarischen Schulleiterin Katrin Höhmann alle an sie gestellten Anträge positiv beschieden. 300.000 Euro seien ausgezahlt worden.

Der jahrzehntelange Missbrauch durch Lehrer der Reformschule wurde 2010 bekannt. Bis zu 500 Schüler könnten Opfer geworden sein.

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