Hoffenheims Torwart Tim Wiese: Sein Leben als Schießbudenfigur

Tim Wiese kriegt die Hütte voll und ist trotzdem der beste Mann. Da kann was nicht stimmen in Hoffenheim. Beim Verein tun sich jede Menge Gräben auf.

Weiß selber, dass da was nicht rund läuft: Hoffenheims Torwart Tim Wiese Bild: dpa

MAINZ taz | Tim Wiese hat noch kein Pflichtspiel gewonnen mit der TSG 1899 Hoffenheim seit seinem Wechsel von Werder Bremen vor dieser Runde. Sieben ihrer acht Punkte holten die Hoffenheimer in den drei Spielen, als Wiese verletzt fehlte. Der ehemalige Nationalmannschaftsersatztorwart bekommt alle 26 Minuten ein Gegentor, wie Freunde der Statistik nach der 0:3-Pleite der TSG am Samstag bei Mainz 05 nachrechneten.

17 der 20 Gegentreffer (Ligarekord) und noch 4 beim peinlichen 0:4 Pokal-Aus beim Viertligisten Berliner AK bekam die TSG mit Wiese im Tor. Schlechte Nachrichten sind das. Die einzig hoffnungsvolle Meldung aus Hoffenheimer Sicht lieferte aber ausgerechnet Tim Wiese am Samstag: Er war Hoffenheims bester Spieler in Mainz. Immerhin. Und weil Wiese Kapitän ist, sagte er hinterher über die Leistung seiner Mitspieler: „Kein Ehrgeiz, keine Power: Wir verstecken uns.“

Hoffenheim agierte nach dem 0:2 kurz nach der Pause wie ein Absteiger. „Wir spielten naiv, ohne Leidenschaft, ohne Laufbereitschaft, ohne Zweikampfstärke“, konstatierte der ratlose Trainer Markus Babbel. Ansonsten lieferte Babbel nur seine üblichen Phrasen („Weiter hart arbeiten“) und wirkte wie ein Mann, der die Profis nicht mehr erreicht.

Beobachter fragen sich schon lange, was Babbels größter Fehler vor dieser Saison war. Ohne Not das Ziel Europapokal-Teilnahme ausgerufen zu haben, wird von Woche zu Woche nur immer mehr zum Bumerang für ihn. Oder war es die Verpflichtung des polarisierenden Wiese, für den Publikumsliebling Tom Starke gehen musste? Oder war der Gipfel der Fehleinschätzungen, Wiese auch noch zum Kapitän ernannt zu haben?

Letzte Woche nach dem oberpeinlichen 3:3 gegen Greuther Fürth erklärte TSG-Manager Andreas Müller, Wiese habe wohl sein Engagement in Hoffenheim unterschätzt, er müsse in der Kabine mehr auf die Leute zugehen. Und er analysierte, die Europapokal-Ambitionen seien wohl erst in ein, zwei Jahren realistisch.

Leichtes Ziel

Nach dem Debakel in Mainz sagte der frustrierte Manager, er stehe zum Trainer. Wie lange Babbel noch das Vertrauen von Mäzen Dietmar Hopp genießt, ist eine spannende Frage. Nächsten Samstag kommt der FC Schalke in den Kraichgau, und Babbel schwant schon: „Wenn wir so naiv spielen wie in Mainz, wird das nichts.“ Der Mainzer Stürmer Adam Szalai erklärte, es sei leicht gewesen, dreimal zu treffen. Kein Kompliment für Hoffenheim ist das. Deren Trainer zieht seine Autorität aus Erfolgen in seiner aktiven Karriere beim FC Bayern und der Nationalmannschaft, er führt Mannschaften aus der Kraft seiner eigene Erfahrungen und dem Anekdotenschatz seines Fußballerlebens. In Hoffenheim reicht das derzeit nicht.

Trotz der längsten und „härtesten Vorbereitung aller Zeiten“(Mittelfeldmann Salihovic) spielt die Mannschaft kraftlos. Schon früh in der Saison tun sich Gräben auf: Mittelfeldspieler Tobias Weis ist auf unbestimmte Zeit suspendiert, der frustrierte Ersatzspieler Sven Schipplock ohrfeigt Kollege Ochs im Training, und die Transferpolitik von Chris zu Derdiyok und Delpierre über Ochs bis Wiese entpuppt sich bislang als ein kollektiver Fehlgriff.

Babbel antwortete zur Frage über einen möglichen Abstiegskampf: „Wir wollen da nicht rein, auch wenn es derzeit so aussieht.“ Größer kann ein Offenbarungseid nach all den großen Ankündigungen nicht ausfallen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.