Kampf gegen die Miniermotte: Ins Blatt gekrochen, um zu bleiben

Seit zehn Jahren setzt die Miniermotte den Berliner Rosskastanien zu - wirksame Gegenmittel sind nicht in Sicht. Es hilft weiterhin nur: Laubsammeln.

Eindeutig das Werk der Miniermotte: Befallene Kastanie. Bild: dpa

Der Boden im Schlosspark Lichterfelde ist von einer dicken Schicht nassen, braunen Kastanienlaubs bedeckt. Für unvoreingenommene Beobachter ein normaler herbstlicher Anblick – für Naturschützer ein Haufen Sondermüll. Denn in den Blättern stecken unzählige winzige Larven: die Brut der Miniermotte. Bleibt das Laub liegen, überwintert der Schädling. Und im kommenden Frühjahr schlüpft die nächste Generation der Motte, die die Berliner Kastanien seit nunmehr zehn Jahren im Würgegriff hat.

Genau genommen ist es nur die weißblühende Rosskastanie, deren Blätter durch die gefräßigen Larven der Miniermotte schon im Hochsommer braune Flecken bekommen und viel zu früh abfallen. Von dieser Baumart gibt es 48.000 Exemplare in der Stadt, 90 Prozent sind befallen. Ein paar Jahre lang ist das kein Problem für einen Baum, auf Dauer aber schwächt die Motte den Bestand zu sehr. Experten mutmaßen, in 50 Jahren könnten kaum noch weißblühende Kastanien in der deutschen Hauptstadt stehen, schon weil sie nicht mehr nachgepflanzt werden. Es sei denn, Mensch und Baum gewinnen im Kampf gegen das Insekt Oberhand.

Auch dieser Kampf dauert nun schon zehn Jahre. Seit erstmals ein großflächiger Kastanienbefall in der Stadt auftrat, wird ein Patentrezept gegen die Motte gesucht – und nicht gefunden (s. Kasten). Auf EU-Ebene wird mit Hochdruck geforscht, aber bis ein halbwegs verträgliches Mittel verfügbar ist, kann noch viel Zeit vergehen. In der Zwischenzeit hilft nur eins: Laubsammeln.

In Berlin sammelt die BSR das Laub der Straßenbäume, in den Parks helfen Naturschützer und Schulgruppen. Um den Larven wirklich den Garaus zu machen, müssen die Blätter fachgerecht kompostiert werden. Das übernimmt die BSR in sieben Brandenburger Kompostieranlagen. Dort erhitzt sich das Laub auf 60 bis 70 Grad, während im privaten Kompost höchstens 40 Grad erreicht würden, erklärt BSR-Sprecherin Sabine Thümler. „Aber erst durch die entsprechende Hitze sterben die Larven ab.“

Seit Jahren organisiert der Naturschutzbund Nabu Sammelaktionen in Kooperation mit den Bezirken. Das funktioniere ganz gut, meint Anja Sorge vom Nabu. „Leider kommt von den Schulen immer weniger Unterstützung.“ Dabei weiß Maria Wassing-Shadfan vom Grünflächenamt Steglitz-Zehlendorf: „Die Sammelaktionen helfen nicht nur den Bäumen, sondern stärken bei Schülern das Bewusstsein für ihre Umwelt.“ Auch Isolde Feilhaber vom Pflanzenschutzamt betont, wie wichtig das Laubsammeln sei: Es gebe den Bäumen Zeit, sich zu erholen.

Erstmals beobachtet wurde die Miniermotte - der wissenschaftliche Name des Schädlings ist Cameraria Ohridella - 1984, als sie in der Nähe des mazedonischen Ohridsees zur Plage wurde. Das plötzliche Auftreten der Miniermotte hängt wohl mit dem Klimawandel zusammen, vermutet Barbara Jäckel vom Pflanzenschutzamt Berlin. "Irgendwelche Bedingungen haben sich geändert, und schon konnte die Motte, wie bei uns, in Gebiete wandern, wo sie keine natürlichen Fressfeinde hat." Dadurch können sich die Motten ungehindert vermehren.

Gewandert sei die Motte hauptsächlich entlang von Straßen und Bahngleisen, erklärt Isolde Feilhaber vom Pflanzenschutzamt. Obwohl manche Raupen auf Lkw-Dächern oder Güterzügen als blinde Passagiere reisen würden, sei es wahrscheinlicher, dass der Windzug das Laub über die großen Distanzen transportiere, erklärt Feilhaber. "Solche Strecken könnten die Motten aus eigener Kraft gar nicht bewältigen."

Dem Regen sei Dank

Tatsächlich lag der Befall in diesem Jahr rund ein Drittel niedriger als in den Vorjahren, schätzt Barbara Jäckel, die ebenfalls im Pflanzenschutzamt tätig ist. Nur: „Das verdanken wir nicht unseren Maßnahmen, sondern hauptsächlich dem Wetter“, gesteht sie. Das regnerische Wetter im Mai habe der Entwicklung der Motten geschadet.

Dennoch: Viel hilft in diesem Fall viel. In Steglitz-Zehlendorf, wo 5.000 weißblühende Rosskastanien wachsen, rufen Nabu und Bezirksamt auch in diesem November zur Sammelaktion im Schlosspark am Teltowkanal. Olaf Kurtz vom Grünflächenamt beklagt aber, dass die Mittel für diesen Zweck immer geringer ausfallen: „Am Anfang hat uns der Senat noch mit Kampagnen und Geldern unterstützt. Inzwischen sind die Bezirke da auf sich gestellt.“

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