Deutscher Schwimmsport: Verhinderte Flucht ins Exil

Während Paul Biedermann und Britta Steffen zu Weltcup-Erfolgen kraulen, arbeiten sich die Funktionäre an der olympischen Beckenpleite ab.

Die Geschichte von Paul und Britta geht weiter – zunächst in Halle an der Saale. Bild: dpa

BERLIN taz | Wenn man nicht mehr weiter weiß, bildet man ’nen Arbeitskreis. Beim Deutschen Schwimm-Verband (DSV) heißt das Strukturkommission – meint aber in etwa das Gleiche. Weiter wusste man beim DSV in der Tat nicht: Nach null Medaillen bei Olympia hieß es für die Beckenschwimmer auch bei null anfangen.

Der DSV wählte einen fast klinsmännisch zu nennenden Weg, jene Kommission zu besetzen: Hockey-Bundestrainer Markus Weise und der Sportdirektor des Deutschen Tischtennis-Bundes, Dirk Schimmelpfennig, sind etwa im elfköpfigen Gremium dabei. Nicht an Bord dagegen: Die DSV-Stützpunkttrainer. Und einen Bundestrainer gibt es nicht – der wird derzeit vom DSV gesucht.

Dass die Zugpferde Paul Biedermann und Britta Steffen weitermachen und zumindest Biedermann die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro 2016 anpeilt, dürfte daher zu den besseren Nachrichten gehören, die man beim Schwimmverband zuletzt vernahm. Steffen hat fortan den gleichen Wohnort wie ihr Freund Biedermann, Halle an der Saale, und auch den gleichen Trainer, Frank Embacher.

Doch es gab eben auch Kontroversen um die Trainerteams. Protagonisten hier: DSV-Präsidentin Christa Thiel und Embacher, der in Halle auch Stützpunkttrainer ist. Da die Strukturkommission einen Neuaufbau des DSV plant (hier wird Mitte November mit Ergebnissen zu rechnen sein), könnte es zu Änderungen im Stützpunktsystem kommen. Vier von sechs zum Jahresende auslaufenden Verträgen, darunter eben Embachers, wurden aus diesem Grund bisher noch nicht verlängert.

Der Trainer stänkert

Embacher stänkerte am Samstagmittag noch entsprechend Richtung Verband: „Wenn man mit uns erst im Dezember oder vielleicht erst Anfang Januar reden will, sind vier bis sechs Stützpunkttrainer in anderen Funktionen. Das muss man wissen, ob man sich das leisten kann.“ Man könne ja schließlich auch ins Ausland gehen, wenn der DSV sie nicht wolle – und die Athleten gleich mitnehmen.

Stunden später aber schien dieser Gedanke schon wieder Schnee von gestern zu sein. Schützling Biedermann sagte nach seinem Sieg über die lange Strecke: „Ich weiß, dass es heute schon Gespräche gab, und die gingen wohl relativ gut aus.“ Auch Steffen erklärte: „Ich glaube, das steht nicht mehr zur Debatte“.

Thiel und Embacher hatten sich während des Weltcups zusammengesetzt. Thiel sagte am Samstagabend, sie wolle sich zum Inhalt der Gespräche nicht äußern. Sie sprach aber von einem „positiven Verlauf“. Sie verstehe Embacher und die „für die Betroffenen nicht zufriedenstellende Situation“. Aber man versuche alles, die Strukturreform so schnell wie möglich über die Bühne zu bringen, damit für die Trainer Klarheit herrsche. Am 10. November wird Thiel aller Voraussicht nach bei der Präsidentschaftswahl in Hamburg in ihrem Amt bestätigt. Ob der nicht unumstrittene Leistungssportdirektor Lutz Buschkow im Amt bleiben wird, hängt von den Ergebnissen der Strukturkommission ab (auch der Vertrag Buschkows läuft nur bis 2013).

Vier Starts, drei Siege

Bei all den vielen Worten, die um die ungewisse Zukunft des Verbands gemacht wurden, geriet der Auftritt des schwimmenden Paars Steffen/Biedermann beinahe schon zur Nebensache. Am Samstag brauchte Biedermann 3:42,21 Minuten, um 400 Meter Chlorwasser zu durchkraulen – mit dieser recht guten Zeit kam er fast konkurrenzlos zum Sieg. Am späten Sonntagnachmittag reichte es im Duell gegen den Franzosen Yannik Agnel über 200 Meter Freistil aber nur zu einem zweiten Platz.

Die Olympia-Vierte Steffen zeigte sich wie auch in den vorangegangenen vier Rennen des Kurzbahn-Weltcups in sehr guter Form: Sie gewann die 50 Meter Freistil recht locker und holte somit am Samstagnachmittag schon den siebten Einzelsieg auf der Weltcup-Tour – dem sie am Sonntag Nummer acht über die 100 Meter folgen ließ. Dank ihres Schlussspurts kam sie in 52,88 Sekunden zwölf Hundertstel vor der US-Amerikanerin Jessica Hardy ins Ziel.

Was war sonst noch? In Berlin fanden erstmals in der Weltcup-Geschichte auch Lagen-Mixed-Staffeln statt – hoffentlich ein Modell für die Zukunft, vielleicht sogar für olympische Wettkämpfe.

Eine interessante Aussage war übrigens am Rande des Weltcups von Freiwasser-Bundestrainer Stefan Lurz zu vernehmen. Er sagte im Nachklapp zum Olympia-Desaster, die Beckenschwimmer trainierten schlicht zu wenig. „Man sollte 3.000 Kilometer Minimum schwimmen im Jahr, wir haben Sportler im Olympia-Team, die bei 1.000 Kilometer Jahresumfang waren.“ Lurz muss wissen, wie man richtig trainiert. Sein Zögling und Bruder Thomas hatte schließlich Silber in London geholt.

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