Kosten der Energiewende: Strom schneller grün als gedacht

Alle jammern über hohe Preise – trotzdem steigt der Anteil an Ökostrom. Schon 2020 könnte Erneuerbare Energien die Hälfte der Stromversorgung ausmachen.

Investments in Ökostrom sind attraktiv. Da kann man sich die Sache schon mal genauer angucken. Bild: reuters

BERLIN taz | Trotz der Debatte über die Kosten kommt die Energiewende in Deutschland schneller voran als gedacht. Der Ökoanteil an der Stromversorgung, der im ersten Halbjahr 2012 bei etwa 25 Prozent lag, wird sich in den nächsten acht Jahren voraussichtlich verdoppeln. Gehe die jetzige Entwicklung weiter, „würde das Ziel für 2020 (35 Prozent) bereits deutlich früher erreicht werden und 2020 rund 50 Prozent betragen“, heißt es in einem internen Berichtsentwurf der „Plattform Erneuerbare Energien“ beim Bundesumweltministerium.

„Die gegenwärtige Entwicklung liegt damit deutlich über dem Zielpfad“, heißt es weiter in dem Papier, das der taz vorliegt. Geplant sind die 50 Prozent erst für 2030.

In der „Plattform Erneuerbare Energien“ suchen Vertreter von Bund, Ländern und Interessengruppen seit Mai einen Fahrplan zur Energiewende. Sie bereiten Positionen vor, die auf einem Treffen der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 2. November in Berlin diskutiert werden sollen. Aus den vertraulichen Sitzungen heißt es, ein Kompromiss liege noch in weiter Ferne. Schließlich geht es um viel Macht und viel Geld.

„Für den Erfolg der Energiewende ist eine verbesserte Abstimmung zwischen Bund und Ländern von entscheidender Bedeutung“, heißt es in einem der Papiere. Daran aber fehlt es bislang. Die Länder haben gigantische Ausbaupläne für Wind, Solar und Biomasse vorgelegt. Bis 2022 wollen sie insgesamt über 150 Gigawatt an Ökostrom-Kapazität vorweisen – fast das Doppelte dessen, was heutzutage bei höchstem Bedarf benötigt wird.

Energieautark auch mit Grünstrom

Während der Bund und die Küstenländer auf teuren Offshore-Wind setzen und dafür Tausende von Kilometern an Stromtrassen planen, wollen die großen Stromverbraucher in Bayern und Baden-Württemberg auch nach dem Verlust ihrer Atomkraftwerke am liebsten energieautark auch mit Grünstrom bleiben.

Die Länder haben in der „Plattform“ durchgesetzt, dass auch der galoppierende Ausbau auf 50 Prozent bis 2020 ernsthaft auf Kosten und Risiken geprüft wird. Das Gremium warnt aber, das Tempo beim Ausbau sei „für die Kostenentwicklung der Energiewende von zentraler Bedeutung“. Je schneller Ökoenergien aufgebaut werden, desto früher und teurer müssten Netze und Speicher entstehen und desto weniger könne sich die Nachfrage anpassen. Ökostrom müsse bei einem Überangebot dann abgeschaltet werden.

Hans-Josef Fell, energiepolitischer Sprecher der Grünen, hält dagegen: „50 Prozent bis 2020 sind technologisch machbar und wegen Versorgungssicherheit und Klimaschutz geboten“. Dafür brauche es aber eine entscheidende Umorganisation des Energiesystems: Überschüssiger Windstrom könne wie in Dänemark zum Heizen genutzt werden, Biogas und Wasserkraft müssten zur Absicherung der Leistungsausfälle genutzt werden.

„Das Geld sucht sich seinen Weg“

Für Frank Peter, Energieexperte der Unternehmensberatung prognos, ist der ungebremste Ausbau der Erneuerbaren dagegen problematisch: „Auch Dörfer mit 100 Prozent erneuerbarer Versorgung brauchen für die nächste Zeit noch eine Absicherung durch fossile Kraftwerke.“ Peter geht dennoch davon aus, dass die Erneuerbaren auch in nächster Zukunft so schnell wachsen wie bisher.

Denn Investments in Ökostrom seien angesichts der niedrigen Zinsraten und der Turbulenzen auf den Aktienmärkten weiter attraktiv, auch wenn die Vergütungen gesenkt würden: „Das Geld sucht sich seinen Weg.“

Ändern am jetzigen System werde sich erst mal wenig: Bund und Länder blockieren sich gegenseitig. Das heißt: schneller Zubau von Ökostrom mit allen Problemen. Keine gute Lösung, finden selbst die Verhandler in der „Plattform“. „Überförderung konsequent zu vermeiden“, heißt es, sei „in einem System, in dem Vergütungen in einem langwierigen politischen Prozess und nur auf der Basis von Kostenschätzungen festgelegt werden, kaum möglich.“

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