„Observator“ von den Raveonettes: Hinter satten Lärmwänden

Die Raveonettes widmen sich magischen Momenten des Gitarrenpop angemessen stur. Wenn auch nur eine gute halbe Stunde lang.

Können auch laut: Raveonettes. Bild: promo

Ein Rückenleiden soll für dieses Album verantwortlich sein. Für den Schmerz, die Finsternis, die düsteren Klänge. Dazu kommt der Alkohol, dem der Däne Sune Rose Wagner seit seinem Umzug nach Kalifornien, bei dem er sich den Rücken verrenkte – der Mann ist ja auch schon fast 40, hallo, Midlife-Crisis! – reichlich zusprechen soll.

Aber vielleicht sind das nur Scheinbehauptungen, vielleicht handelt es sich hier nur um Spekulation auf den sekundären Krankheitsgewinn, der ungefähr dieser Regel folgt: Macht man kaputte Musik, ist es besser, auch selbst kaputt zu sein. Um der Authentizität willen.

Aber – so kaputt ist die Musik gar nicht. Wagner sieht auf neuen Pressefotos zwar tatsächlich schlecht aus – bleich, abgemagert, immer noch mit dieser Reid-Brüder-im-Geiste-Frisur. Und sicher haben Partnerin Sharin Foo und er seit je eine Vorliebe fürs Feedback, für die satte Lärmwand, durch die man sich erst einmal durchhören muss, um dahinter die Harmonien zu entdecken.

Aber alles halb so schlimm: Auf „Observator“, dem neuen, sechsten oder siebten (je nachdem, ob man ihr Debüt-Minialbum dazurechnet) Raveonettes-Album, tritt die Lärmwand deutlich in den Hintergrund.

Alles andere als kaputt

„Observator“ klingt insgesamt alles andere als kaputt, und nach Rückenschmerzen schon gar nicht. Im Gegenteil: Es klingt durchlässig, schwebend, rund. Wagner und Foo haben das Klavier entdeckt und pflegen die süßliche Melodie; arbeiten sich weiter am Motown-Erbe und dem der „Class of ’86“ ab, beschwören Petula Clarks Hit „Downtown“ gleich zweimal („She Owns the Streets“ und eben „Downtown“) und klingen in „Observations“ sogar wie die Rolling Stones zu „Gimme-Shelter“-Zeiten.

Der Output der beiden Dänen mit den seltsam klingenden Namen ist also nach wie vor gewaltig. Der Griff zur Gitarre und damit zur handlichen, schnell ins Ohr gehenden Melodie scheint dem Duo selbstverständlich zu sein. Selbstverständlich wie Morgenkaffee und Yoga für die, die das mit dem Rücken schon kennen.

„Observator“ macht noch einmal einen Schritt hin zum Radio, zur Nettigkeit, zur Popseligkeit, zur Schönheit, die ohne den bittersüßen Schmerz eben nicht zu haben ist. Stellt sich nur die Frage, ob sich das Radio auch dafür interessiert. Und wie das ist heutzutage, wo 40 das neue 30 ist, das mit dem jungen Verglühen ein Schmäh von gestern und Altersabsicherung fürs Surfgitarre spielende Prekariat ein absolutes Fremdwort.

Werden die beiden Dänen, von denen man nicht weiß, ob sie auch privat ein Paar sind – wahrscheinlich nicht, die Zusammenarbeit wäre sonst schwieriger –, in Kalifornien glücklich? Eine Herausforderung ist das neue Leben unter Palmen an der Pazifikküste für die Schlechtwettergewöhnten sicherlich. Da ist nämlich plötzlich eine Sonne, die all die ausgebreiteten dunklen Wolken, die Zweifel und Missstimmungen im Nu pulverisieren kann – was einen durchaus nicht vor Abgründen schützt, wie man an den Werken beispielsweise von Brian Wilson oder David Lynch bestens studieren kann.

Erweitertes Repertoire

Für die Raveonettes ist es noch ein Stück dahin. Ihr bestes Album war bislang „Lust Lust Lust“ von 2007; ein Werk, das trotz des Titels die traurigen Töne, die Mollakkorde, das verschleppte Tempo zuließ und dem süßlich-bösen Trashsound eine Tiefe verlieh, die in den Nachfolgealben, zuletzt „Raven in the Grave“, weiter in Richtung Zugänglichkeit und Chorus – Motown eben irgendwie – getrieben wurde.

„Observator“ ist eine Art Zwischenschritt: Das Repertoire wurde, was die Instrumentierung angeht, erweitert (das Klavier, wie gesagt), der Rest sind weichere Soli, zweistimmiger Gesang, das den beiden eigene Händchen für Harmonien. Ein kurzes Vergnügen ist es darüber hinaus; das Album ist gerade einmal eine gute halbe Stunde lang. Es ist eben kurz. Und gut.

Raveonettes, „Observator“ (Beat Dies/Alive)
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