Der Elektro-Auto-Hersteller: "Wir haben einen Vorsprung"

Sirri Karabag ist Deutschlands erfolgreichster E-Mobil-Hersteller. Trotzdem fährt er privat einen Benz. Ein Gespräch über Autos und Energie

Nicht frei von Eitelkeiten: Sirri Karabag Bild: Ulrike Schmidt

taz: Herr Karabag, was für ein Auto fahren Sie privat?

Sirri Karabag: Ich habe ein Elektroauto, das ich im Winter und natürlich in der Stadt häufig benutze, aber ich fahre auch ein recht großes benzinbetriebenes Auto. Alles andere als ein Ökomobil. Aber dazu stehe ich. Ich gehöre noch zur Generation, die mit lauten, schweren und kräftigen Autos aufgewachsen ist. Das macht mir Spaß. Wenn es von meinem Benz eine Elektrovariante gäbe, mit der gleichen Leistung und der gleichen Reichweite für das gleiche Geld, dann würde ich die fahren.

Sie sind Deutschlands erfolgreichster E-Mobil-Hersteller. Was macht Ihr Konzept aus?

46, war früher Autoverkäufer, bis er 2008 gefragt wurde, ob er den Fiat 500 zum E-Auto umbauen könne. Er konnte und ist mittlerweile der erfolgreichste E-Auto-Hersteller in Deutschland. Im September hat er den Hamburger Gründerpreis in der Kategorie "Aufsteiger des Jahres" erhalten. Karabags Werkstatt befindet sich in Hamburg-Lokstedt.

Wir kaufen normale Fiat 500, bauen den Benzinmotor aus und verkaufen den. An dessen Stelle montieren wir dann einen Elektromotor und alles was dazu gehört. Dabei haben wir vieles selbst entwickelt. Zum Beispiel hat der 500E einen Tank für Bioethanol, mit dem im Winter die Heizung betrieben wird. Das ist ökologisch und erhöht die Reichweite des Autos. Wir arbeiten mit großen Unternehmern zusammen, die einiges an Erfahrungen mitbringen. Wer wäre zum Beispiel ein besserer Partner in Sachen E-Mobility als der Gabelstaplerhersteller Still?

Haben Sie sich denn früher schon für E-Mobility eingesetzt oder sich für die Umwelt engagiert?

Nein, gar nicht. Ich habe nie ein ökologisches Jahr gemacht oder dergleichen. Ich bewundere es, wenn andere so etwas tun. Mein Ding war das aber nie. Ich bin wirklich erst dazu gekommen, als Fiat mich als Autohändler beauftragt hat, fertige E-Mobile nach Deutschland zu importieren. Das lief damals nur mittelmäßig, vieles hat nicht geklappt. Als der Vertrag auslief, habe ich dann selber weitergemacht und das Geschäft ausgebaut. Wir haben daran geglaubt, dass wir das besser können. Übrigens nicht nur ich allein, sondern auch meine Mitarbeiter. Das muss ja auch mal erwähnt werden.

Was bringt mehr Spaß, Unternehmer zu sein oder etwas Gutes für die Welt zu tun?

Beides für sich bringt gar keinen Spaß. Als Unternehmer hat man den Fokus darauf, Geld zu verdienen, und wenn ich quasi als Öko unterwegs bin, habe ich natürlich andere Ziele. Erst die Verbindung von beiden macht richtig Spaß.

Hat Ihnen denn der Job vor dem 500E keine Freude bereitet?

Doch natürlich, aber es fehlte die Herausforderung. Aber unsere neue Strategie hat dem Ganzen neue Impulse verschafft. Im Ernst. Meine Motivation ist klar. Ich möchte gerne erfolgreich sein und das sind wir mit unserem Konzept. In erster Linie bin ich Unternehmer, wenn ich dabei auch noch etwas für die Umwelt tun kann, freut mich das umso mehr.

Wer soll denn die Autos kaufen?

In der Werbung hieß es, zumindest früher, Autokauf sei keine rationale Entscheidung, sondern eine Frage der Emotionen. Ich glaube, da findet gerade ein Paradigmenwechsel statt. Die ältere Generation fährt eben noch gerne große Autos, so wie ich. Der neuen Generation ist es aber völlig egal, wie ein Auto aussieht und wofür es steht. Die fragen sich, welches Smartphone habe ich und welches iPad. Die benutzen eben die neuen Carsharing-Angebote und fahren Smart. Das Auto als Statussymbol funktioniert da nicht mehr.

Sie gehen davon aus, dass Ihr Konzept, in kleiner Serie Benziner in Stromer umzuwandeln, ein Unternehmen mit Ablaufdatum sei. Die großen Anbieter würden früher oder später mit eigenen Autos auf den Markt kommen und Sie verdrängen.

Das habe ich gesagt, aber da ändert sich gerade etwas. Wir haben so viel Erfahrung gesammelt und jetzt weiß ich, dass das noch lange dauern wird. Die schaffen das gar nicht. Die Produktion würden die noch hinkriegen, aber in der Entwicklung sind wir eigentlich weiter. Wir haben jetzt 20 Millionen Erfahrungskilometer, das sollen die erst mal nachmachen. Und das größte Problem bleibt das After-Sales-Geschäft. Nach deutschem Recht müssen die Hersteller den Service garantieren. Wer soll das denn machen? Das fasst doch kein Mitarbeiter einer Vertragswerkstatt an. Der wüsste ja auch gar nicht, was er damit machen sollte. Das ist ja der Grund, warum wir das deutschlandweit erste E-Auto-Servicenetz mit der Firma Still vereinbart haben. Die haben eine enorme E-Mobility-Kompetenz.

Wann wird es so weit sein?

Vor 2020 auf keinen Fall. Und ich sage Ihnen was: Das erste E-Serienauto kommt nicht aus der Automobilindustrie. Wie gesagt, die können das nicht. Es wird ein Hersteller von Elektromotoren sein. Der Gabelstaplerhersteller Still eben, mit dem wir zusammenarbeiten, hat die nötige Kompetenz. Und gleichzeitig 1.500 Vertretungen in Europa. Die können das. Oder vielleicht eine asiatische Marke. Aber passieren wird es natürlich, dass ein großer Konzern auf den E-Mobile-Markt drängt.

2020 ist auch nicht mehr lange hin. Macht Sie das wehmütig? Sie bauen ein Geschäft auf und müssen sich dann absehbar wieder zurückziehen?

Darüber habe ich noch nicht richtig nachgedacht. Das wäre tatsächlich etwas traurig. Inzwischen denke ich aber, dass wir weiterhin im Geschäft bleiben werden. Ich ging früher tatsächlich einmal davon aus, dass wir das ein paar Jahre machen und es dann auch wieder lassen. Aber unsere Erfahrungen zeigen eben, dass wir einen Vorsprung haben. Wir werden aber möglicherweise Teil eines Konzerns oder Konsortiums werden.

Wie wäre es mit einer Verschwörungstheorie? Die Industrie will gar keine E-Mobile haben. Um den EV1, den GM in den 90er-Jahren gebaut hat, ranken sich Legenden. Die Autos wurden sogar zurückgerufen.

Mit Verschwörung hat das nichts zu tun. Die haben eben gesehen, dass sie das nicht auf die Reihe kriegen. Da haben sie lieber einen Rückzieher gemacht.

Warum sind die Konzerne noch nicht so weit?

Weil ihnen dazu einfach das Know-how fehlt. Außerdem werden die Konzerne von irgendwelchen Aufsichtsräten gesteuert, die überhaupt keine Bindung zu dem Unternehmen haben. Die interessieren sich für die Bilanz-Pressekonferenz, die Aktionäre und ihr Konto. Darüber hinaus findet wenig statt. Ich will da niemandem zu nahe treten. Das hat auch seine Berechtigung. Aber um so ein Unternehmen umzubauen, muss man wirklich Chuzpe haben. Dann muss man sich hinstellen und sagen: Jetzt wird zehn Jahre lang keine Dividende bezahlt, jetzt investieren wir.

Ist das E-Auto denn überhaupt das Auto der Zukunft? Haben wir dafür überhaupt die Ressourcen?

Wenn wir es intelligent anpacken, wird es das sein. Ein Beispiel: Wir bauen jetzt Häuser und Siedlungen, die wir dezentral mit Energie versorgen und diese selber zwischenspeichern. Zum Beispiel durch den 500E vor der Tür. Regenerative Energien, ein Haus, ein Auto. Das ist das Geheimnis. Schauen Sie sich die Städte in China an, die heute auf der grünen Wiese entstehen. Die werden tatsächlich nach ähnlichen Konzepten designt. Da gibt es Ladestationen für jedes Auto. Die ersten unserer Häuser werden übrigens dieses Jahr vorgestellt.

Sie denken also auch allgemein über Energiesparen nach?

Es ist einfach absoluter Schwachsinn, wie derzeit Energie für die Energiespitzen und angenommenen Verbrauchskurven produziert wird. Wir müssen da umdenken. Und wer sagt denn, dass nicht morgen früh ein Entwickler aufwacht und eine völlig neue Idee für einen Akku hat? Vielleicht lässt ja einer seinen Kaffeefilter in der Bionade liegen und sieht, dass er einen völlig neuen Akku erfunden hat? Anode, Kathode und so ... Überhaupt ist die Diskussion über externe Ladestationen nahezu überflüssig. Unsere Autos laden sie an der Steckdose auf. Einfach so. Technisch ist das überhaupt kein Thema.

Was ist an Ihnen typisch deutsch und was typisch türkisch?

Da gibt es sicher was aus beiden Welten. Deutsch ist an mir meine Zielstrebigkeit und mein Wille, etwas zu schaffen, der türkische Anteil meine Fähigkeit, Netzwerke zu knüpfen, auf Menschen zuzugehen. Das ist enorm wichtig. Ohne dieses Netzwerk würde dieser Job nicht gelingen. Wir arbeiten mit so vielen verschiedenen Zulieferern zusammen. Das ginge wirklich nicht ohne.

Sehen Sie sich als Deutsch-Türke in einer Vorbildfunktion?

Nein, überhaupt nicht. Da bin ich einfach nur Unternehmer. Aber da gibt es ja auch so viele, die beide Kulturkreise miteinander verbinden, bilingual sind. In jedem Kulturkreis gibt es Leute, die Ihre Aufgaben sehr ernst nehmen, und Leute, die es lieber laissez-faire angehen lassen. Darüber denke ich nicht nach.

Bedeutet Ihnen die Öffentlichkeit viel und die Preise, die Sie erhalten?

Ja, das ist wichtig. Ich habe so viel vor, da ist Öffentlichkeit schon hilfreich. Und es ist natürlich eine Bestätigung für mich. Wer ist denn frei von Eitelkeiten? Ich bin da schon stolz drauf.

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