Die Wahrheit: Deine Mutter ist ne blöde alte (, , ,)

---=^ . ^=---(, , ,) Neulich wollte ich endlich mal ein Emoticon in einer E-Mail unterbringen.

Neulich wollte ich endlich mal ein Emoticon in einer E-Mail unterbringen. Ich hasse das zwar wie die Pest, aber auf Dauer wirkt die Ablehnung der Grinsesymbole wie die Weigerung, sich die Beine zu rasieren: Im Sommer erkennt jeder, dass man noch zur Prä-Rasier-Generation gehört.

Also drückte ich nach einem lässig-schalkhaften Satz die Semikolon- und die Klammertaste, und das machte schon Spaß, zugegeben. Einfach nur, weil das Semikolon in letzter Zeit immer mehr ins Abseits gedrängt wurde; anstatt Teilsätze benutzen die Menschen entweder den Digitalmedien angepasste kurze Sätze oder schreiben unverständlich bandwurmartige extra für das Feuilleton; zudem dachte ich als Kind, Semikolon sei ein amerikanischer Präsident, genau wie Jimmy Carter.

Aber ich stieß schnell auf Grenzen im Ausdruck. Was ist beispielsweise mit der oft brauchbaren Gefühlsregung „peinlich“? Mein Emoticon-Vorschlag ist :-% wobei das Prozentzeichen einen gequält verzogenen Mund darstellen soll. Außerdem möchte ich §-/ für „Au weia, der Friseur hat mir eine Popperfrisur gemacht“ anbieten, :-0°° für „ich muss brechen“, und ,‘-# für „Nachher gucke ich Schweigen der Lämmer“. Oder man bedient sich gleich der viel umfangreicheren japanischen Emoticonpalette, die – natürlich, denn normale Schrift liest man ja von oben nach unten – waagerecht lesbar sind, und bei denen auch Zeichen wie (+__°) für „betrunken/high sein“ und das komplizierte (, , ,)---=^ . ^=---(, , ,) für „Katze“ benutzt werden; wobei man sich fragen muss, wieso man bei so extremen Längen nicht einfach gleich „Katze“ schreibt.

Die Gefahr ist schließlich groß, sich bei einer Zeichenstärke von 27 Tastaturbefehlen zu verschreiben und eine tödliche Beleidigung auszusprechen. Und wofür steht beim Japaner überhaupt das Wort „Katze“? „hey naoko, kommst du heute abend mit zum karaoke?“ – „nein, hab meiner mutter versprochen noch schriftzeichen zu üben“ – „deine mutter ist ne blöde alte (, , ,)---=^ . ^=---(, , ,)“ –„na das kannst du wohl laut sagen, yoko“ – „moshi moshi“ – „moshi moshi zurück!“. Ein mysteriöses Land.

Tatsächlich sollte man anstatt der Grinsesymbole vielleicht versuchen, ein paar Dinge subtil zwischen die Zeilen zu packen, also etwa so: „Ach, keine Ahnung was wir Silvester machen, das entscheiden wir ganz spontan!“*. Oder man bleibt einfach ernst. Es wird eh viel zu viel digital gezwinkert. Auch das analoge Zwinkern steht auf dem Abstellgleis: Krankhafte ZwinkerInnen, so genannte BlepharospastikerInnen, treffen sich bereits in Zwinker-Selbsthilfegruppen, weil sie unter Fehlinterpretationen ihres Lidkrampfes leiden. Da wollte man nur einen Kaffee bestellen und kommt mit einem Verlobungsring nach Hause. Andererseits ist Zwinker-Zurückhaltung ebenfalls gefährlich, man gerät schnell unter den Verdacht, unter dem George Bush einst stand: dass man Außerirdischer sei, weil man fünf Minuten nicht zwinkern musste. Vielleicht macht man einfach immer die Augen zu.

*„Auf jeden Fall machen wir nichts mit EUCH.“

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.