Kommentar Erinnerung an Petra Kelly: Ehrenmord bei den Grünen?

Eine kleine Begriffskunde in Sachen „tragischer Tod“ und die Empfehlung: Sagt einfach die Wahrheit, wenn es um den Tod Petra Kellys geht.

Eine respektvoll gemeinte Anzeige findet sich in der gedruckten taz vom Montag, aufgegeben vom Bundesvorstand Bündnis 90/Die Grünen: „Heute vor 20 Jahren kam Petra Kelly auf tragische Weise ums Leben. Wir gedenken einer großen Kämpferin für eine bessere Welt … Wir werden sie nie vergessen.“

Sie nicht, aber vielleicht die Umstände ihres Todes? Traurig, erschütternd, das war ihr Tod gewiss. Aber das Wörtchen „tragisch“ führt dabei in die falsche Richtung. Es klingt nach Unvermeidlichkeit, nach Umständen, die sich entwickelten, ohne dass jemand etwas dafür konnte, es klingt nach Schicksal. Doch Kellys Tod war Ergebnis einer bewussten Tat, und zwar ihres Lebenspartners.

Ganz genau ließ sich nie klären, was in den letzten Stunden von Kellys Leben geschah, inwieweit die beiden vorher einmal über einen gemeinsamen Tod nachgedacht hatten etc. Aber eines wissen wir: Es gibt keine Absichtserklärung. Es gab keinen Abschiedsbrief. Petra Kelly schlief, und ihr Partner erschoss sie im Schlaf.

„Nicht schießen“, soll Rosa Luxemburg als letztes, vergeblich gesagt haben. Bei Kelly führte die Waffe kein Soldat, sondern ein Pazifist. Und ein Grüner. Ja, es mag weh tun, sich das einzugestehen: Aber auch unter Grünen ist man – frau! – vor Gewalt nicht sicher. Ist sie besser, weil sie von einem begangen wurde, der hauptberuflich für den Frieden kämpfte? Eine Art grünes Familiendrama, ein Ehrenmord? Die Beziehungsstraftat als Herzensangelegenheit?

Ein schönes Kelly-Zitat prangt über der Anzeige: „Wir müssen nicht nur mit dem Intellekt, sondern auch mit dem Herzen handeln.“ Ja, liebe Grüne, das stimmt. Aber manchmal muss man auch das Hirn einschalten und das Herz in die Hand nehmen und sich trauen, die Wahrheit zu sagen. Heute vor zwanzig Jahren wurde Petra Kelly von ihrem Lebensgefährten erschossen. Möge sie in Frieden ruhen.

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Hilal Sezgin studierte Philosophie in Frankfurt am Main und arbeitete mehrere Jahre im Feuilleton der Frankfurter Rundschau. Seit 2007 lebt sie als freie Schriftstellerin und Journalistin in der Lüneburger Heide. Zuletzt von ihr in Buchform: „Nichtstun ist keine Lösung. Politische Verantwortung in Zeiten des Umbruchs.“ DuMont Buchverlag 2017.

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