Bauen in Bremen: Hässlicher Wohnen

Der Bremer "Bauherrenpreis" zeigt, was hier als vorbildliche und wegweisende Architektur gelten soll - möglichst konforme Häuser mit hohem Energieverbrauch.

Der Jury hat an diesen Wohnsilos mit Bettenburg-Charme das "maritime Flair" besonders hervorgehoben. Bild: Christian Richters

Die Latte hängt hoch beim Bremer „Bauherrenpreis“, rein theoretisch zumindest. Architektonisch „wegweisend“ soll es sein. „Vorbildlich“ in mehrerlei Hinsicht – in gestalterischer, aber auch in technischer, ökonomischer, ökologischer und sozialer. In der Jury, die das zu beurteilen hatte, sitzen neben ArchitektInnen, VertreterInnen des Bauressorts, Bremerhavens und aller Bürgerschaftsfraktionen. Immerhin 40 Bewerbungen gab es, das sind mehr als bei früheren Wettbewerben dieser Art. Alle sind sie ab Dienstag im Wilhelm-Wagenfeld-Haus zu sehen. Das Bauressort lobt das „Bewusstsein für Qualität und Nachhaltigkeit“. Auch Michael Frenz, Präsident der Architektenkammer ist zufrieden: „Fast alle“ der Häuser besäßen „in der einen oder anderen“ Weise „Vorbildcharakter“. Eine „Leistungsschau“ zeitgenössischer Architektur also.

Worin diese Leistung besteht, erstmal rein äußerlich, kann man am besten im Überblick sehen. In der Mehrheit sind es neu gebaute Ein und Zweifamilienhäuser, die hier zu sehen sind. Doch was für sich genommen als sogenanntes Architektenhaus individuell erscheint, offenbart in der Ausstellung als Stil der Gegenwart erschreckende Eintönigkeit, ja Einfallslosigkeit.

Das Äußere folgt praktisch ausnahmslos dem, was im Mainstream der ArchitektInnen gerade als zeitgeistig, als schick gilt: Ein Flachdach ist quasi Pflicht, so viel 70er-Jahre-Retro-Look muss ein. Darunter kommen stets klare Kanten, und strikte geometrische Formen vermitteln Bunker-Charme. Immer wieder und gerne werden die Gebäude mit Bauhaus-Zitaten versehen und natürlich mit Fenstern, die über Eck gehen. Alles ist kalt und klar, streng und steril. Abweisend. Bestenfalls ist manches äußerlich mit Backsteinoptik verklinkert, ein wenig in sich verschachtelt oder mit bunt angemalten Quadern versehen, die wie angeklebt aussehen.

Fast alle dieser Häuser sind hochpreisig, haben Baukosten von bis zu 3.000 Euro pro Quadratmeter. Viele davon stehen auf dem Stadtwerder oder in der Überseestadt – sie belegen, wo in den letzten Jahren der Schwerpunkt der Stadtentwicklung lag und warum die Frage nach bezahlbarem Wohnraum derzeit gerade eine so dringliche ist. Bis 2020 wird von 15.000 fehlenden Wohnungen ausgegangen, die Zahl der Sozialwohnungen in Bremen ist seit 1991 von fast 80.000 kontinuierlich auf zuletzt weniger als 10.000 gefallen. Ideen, wie das Problem angesichts knapper Mittel zu lösen ist – gibt es hier praktisch keine.

Auch auf andere Materialien, Baustroh etwa oder zumindest Holz wird in Bremen nicht so wert gelegt, überhaupt nimmt man es mit der Energieeffizienz nicht so genau. Vorbildliche, Passiv oder Niedrigenergiehäuser sucht man in der Ausstellung vergebens. Von einem Plus-Energie-Haus ganz zu schweigen. Dabei hätte sich manch Bauherr das leisten können, und es gibt solche Neubauten, etwa einen in Horn-Lehe, der im Sommer Richtfest feierte. Das grüne Bauressort hätte ihn fast verhindert.

Der Energieverbrauch dessen, was hier zu sehen ist, rangiert also nicht etwa in den Kategorien A oder gar A++, um es mal auf eine bekannte Formel zu bringen. Sondern bestenfalls in der Kategorie B, bei Preisträgern darf es auch gern mal C sein. Nur alte, unsanierte Häuser schneiden noch schlechter ab. Bezeichnenderweise ist eines der Energie-effizientesten Häuser im gelobten Wettbewerb das ehemalige Polizeihaus in Peterswerder, Anfang des vorigen Jahrhunderts gebaut. Zum Vergleich: Der Sieger in der Kategorie „Einfamilienhaus“, eine Burg mit vier Türmen namens „Wasserkunst“, nahe der umgedrehten Kommode gelegen, verbraucht mehr als das doppelte.

Irgendwann wird die Zeit auch über diese Häuser hinweggehen.

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