Human Rights Watch über Kasachstan: Das Blutbad aufklären

Human Rights Watch legt einen Bericht zu Streiks im Jahr 2011 vor. Gefordert wird eine internationale Untersuchung des Polizeieinsatzes in Schanozen.

In Kasachstan gibt es viel Öl, aber nicht genügend Menschenrechte. Bild: dpa

BISCHKEK taz | Die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) beklagt die Rechtlosigkeit der Ölarbeiter in Kasachstan. Am Montag stellte HRW in der kasachischen Wirtschaftsmetropole Almaty ihren Bericht zu dem Ölarbeiterstreik im Dezember 2011 in der Provinz Mangistau vor. Dieser hatte mit einem Blutbad geendet.

Tausende Arbeiter dreier Gesellschaften hatten 2011 monatelang für höhere Löhne und bessere Arbeitnehmerrechte gestreikt. Die Gerichte des zentralasiatischen Staates, dessen Justiz auf Zuruf der Macht reagiert, erklärte den Ausstand für illegal. Die Wortführer wurden verhaftet und die Streikenden entlassen.

Am 16. Dezember, dem 20. Jahrestag der Unabhängigkeit Kasachstans, eskalierte der Konflikt in der Ölförderstadt Schanozen. Die Polizei schoss in die Menge. Dabei wurden ein Dutzend Menschen getötet und Hunderte verletzt. „Das Öl befeuert die wachsende Wirtschaft Kasachstans, aber der Staat und die Ölfirmen ignorieren die wesentlichen Rechte der Arbeiter“, sagte die HRW-Expertin Mihra Rittman in Almaty.

Kasachstan verfügt über die weltweit elftgrößten Ölreserven. Über 40 Prozent der Staatseinnahmen entspringen den sprudelnden Ölquellen. Die Arbeitsgesetzgebung werde zur Kriminalisierung von Aktivisten und Streikbewegungen eingesetzt, heißt es in dem Bericht. HRW nimmt die in der kasachischen Ölindustrie tätigen internationalen Firmen in die Pflicht, die Rechte der Arbeiter zu beachten.

Vor allem westliche Energieriesen wie Chevron heben den Ölschatz am Kaspischen Meer. Der amerikanische Energieriese war jedoch nicht von dem Streik betroffen. An einer Gesellschaft, die die Arbeiter 2011 bestreikten, ist gemäß dem Bericht jedoch eine Tochter des italienischen Energieriesen Eni beteiligt.

Menschenrechte in Maßen

„Ich war betroffen, dass die Familien der Opfer Angst vor gemeinsamen Treffen haben“, sagte der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, der Kasachstan Anfang August besucht hatte. Wie HRW forderte er eine internationale Untersuchung der Ereignisse von Schanozen. Wenige Wochen nach der Niederschlagung des Streiks vereinbarten Deutschland und Kasachstan bei einem Besuch des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew in Berlin eine Rohstoffpartnerschaft.

Seit den Unruhen von Schanozen reagiert die kasachische Staatsmacht janusgesichtig. Zum einen feuerte Nasarbajew Manager der staatsnahen Ölgesellschaft Kazmuniagas, gestand Fehler ein und erklärte die Forderung der Arbeiter für legitim. Ausländische Journalisten und Menschenrechtsorganisationen können bisher in Kasachstan ungehindert arbeiten und die Repräsentanten des Staates führten direkte Gespräche mit HRW.

Gleichzeitig jagen die kasachischen Sicherheitsbehörden Aktivisten und Oppositionspolitiker. Die Macht in Astana ist überzeugt, dass eine dritte Kraft von außen die Eskalation in Schanozen provoziert habe, und verdächtigt den nach Europa geflüchteten kasachischen Oligarchen Muchtar Ablajsow, die Unruhen finanziert zu haben.

Derzeit wird dem Vorsitzenden der nicht registrierten Oppositionspartei „Alga“, Waldimir Koslow, in der Provinzstadt Aktau der Prozess gemacht. Ihm wird vorgeworfen, die sozialen Unruhen geschürt zu haben. Viele Beobachter gehen von einer langjährigen Haftstrafe aus. Für Löning ist der Prozess eindeutig politisch motiviert. „Herr Koslow ist angeklagt, weil er sich als Politiker für die Belange der streikenden Ölarbeiter eingesetzt hatte“, sagte er in Almaty.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.