Kolumne Über Ball und die Welt: Kapitalismus in kurzen Hosen

Der arabische Fernsehsender BeIN hat sich die Rechte für Spiele des US-Fußballteams geschnappt. Um Politik geht es dabei nicht.

Soccer bleibt amerikanisch. Die TV-Übertragung nicht. Bild: dpa

Ein Fernsehsender, der bislang mit Fußball nichts zu schaffen hatte, übernimmt auf dem nordamerikanischen Markt die Übertragungsrechte für die Spiele der US-Nationalmannschaft. Eine Meldung wird das erst durch den Umstand, dass es sich bei diesem Sender namens BeIN um ein Tochterunternehmen von al-Dschasira handelt.

Und dieser Sender war, wie die New York Times schreibt, den USA „vor allem für das Senden von Videos von Amerikanern und anderen Geiseln im Ausland“ bekannt. Der Sender, der im WM-Land 2022 Katar sitzt, hat nämlich – zu Unrecht – das Image eines Islamistenfunks. Was al-Dschasira mit den bunten Bildern von Soccerspielern anfangen möchte, ist noch etwas unklar.

Die kapitalistische Antwort lautet: Fußball ist ein wachsender Markt, und der Sender möchte Geld verdienen. Hinzu kommt, dass er versucht, ein sportliches Image zu erheischen – sportlich und sexy brachte man ja bislang nicht mit al-Dschasira in Verbindung. Eine Antwort, die eher solche Menschen ansprechen dürfte, die sich die Welt als ein Marionettentheater finsterer Strippenzieher vorstellen, lautet, dass mittels des schönen Fußballs die Zuschauer in die finstere Politik gezogen werden sollen.

Daran ist schon falsch, dass keiner die umgekehrte Betrachtung vornimmt: dass nämlich der Sport die dumpfe Politik aufweichen könnte. Schließlich ist das doch die Definition von Fußball: westliche Werte in kurzen Hosen. Beim US-Sender Fox, der derzeit im Soccer-Geschäft sehr engagiert ist, kam auch noch kein Kritiker auf die Idee, dessen Fußballangebot als üblen Trick zu deuten, Fans ins – tatsächlich – reaktionäre Politikprogramm des Senders zu lotsen.

Der Fußball setzt sich langsam durch

Der bisherige US-Fernsehmarkt wird, was das Produkt Soccer angeht, von ESPN, GolTV und eben von Fox Sports dominiert. Fox hat die Rechte an der englischen Premier League, aber BeIN zeigt schon jetzt europäischen Spitzenfußball aus England, Spanien, Italien und Frankreich. Dass sich der Fußball auf dem amerikanischen Markt langsam durchsetzt und ein attraktives Produkt – kleiner als Volks-, aber größer als Nischensport – wird, davon sind alle überzeugt.

„Es sind nicht nur bestimmte ethnische Gruppen, Soccermoms und Singles in den Großstädten“, sagt der Sportjournalist Phil Schoen, der beim Al-Dschasira-Ableger angeheuert hat. „Wenn BeIN jetzt diese Sache angeht, sagt das etwas darüber aus, wie der Sender über die Zukunft dieses Sports in diesem Land denkt.“

Wenn aber der Fußball zur Zukunft des US-Sports gehört, warum wird die Lücke dann ausgerechnet von al-Dschasira gefüllt? Die Antwort fällt, wie immer, kapitalistisch aus. Die Großen bedienen größere Märkte. So wie hierzulande weder ARD noch RTL um die Deutsche Eishockey-Liga buhlen, so streiten sich in den USA die eher kleineren Sender um das Produkt Soccer.

Al-Dschasira würde, wenn es den Superbowl übertragen wollte, in der Luft zerrissen. Aber die Länderspiele der USA zur Qualifikation bei der WM 2018 gelten als zumutbar. Soccer-Fans in den USA lassen nämlich neben den großen Sportarten Foot-Base-Basketball auch mal was anderes an sich ran. Und also glaubt al-Dschasira, es könnte gerade hier sein Image als Islamistensender loswerden.

Kein Frauensender

Im Jahr 2000 hatte in Deutschland der Sender TM3, der überall nur unter dem Label „Frauensender“ gehandelt wurde, die Champions League der Männer gesendet. Das Experiment ging nicht gut: weder neues Image noch neue Zuschauer konnten gefunden werden. Dass al-Dschasira nun in den USA das Image eines Frauensenders bekommen könnte, ist unwahrscheinlich.

Es geht um Einschaltquoten, Werbeeinnahmen, Fernsehmärkte und um die Verbesserung des Senderimages. Wie sehr Fußball – wir erinnern uns: Kapitalismus in kurzen Hosen – zivilisierend wirken kann, wird sich zeigen, wenn das Al-Dschasira-Hauptprogramm mal Frauenfußball zeigt – auch aus der arabischen Welt.

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Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte

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