Gipfeltreffen der blockfreien Staaten: Irans Isolierung wird zum Thema

Die längst totgeglaubte Blockfreien-Bewegung trifft sich in Teheran. UNO und Ägypten wollen von der US-Politik abrücken – auch in der Syrien-Frage.

Seltener Gast: UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon besucht Irans Präsident Ahmadinedschad. Bild: dpa

GENF taz | Das Gipfeltreffen der 120 blockfreien Staaten, das am Donnerstag in Teheran beginnt, zeigt, dass die Bewegung zu früh abgeschrieben wurde. Als die Staatengruppe im vergangenen Jahr in Belgrad ihren 50. Geburtstag feierte, wurde sie zumindest in den meisten westlichen Medien als historisch überholt bezeichnet.

Die vier Gründungsziele der Bewegung – Antikolonialismus, Selbstbestimmung der Völker, Antiimperialismus und Antirassismus – hätten sich erledigt. Und mit dem Ende des globalen Ost-West-Konflikts sowie dem Zusammenbruch des sowjetischen Blocks vor 20 Jahren habe auch die Bezeichnung „blockfrei“ jeglichen Sinn verloren.

Diese Einschätzung war voreilig. Das Gründungsziel „Selbstbestimmung der Völker“ muss in den meisten der 120 blockfreien Staaten erst noch durchgesetzt werden. Die jüngste Aufweichung der Diktatur in Birma sowie die Aufstände und Umstürze in einigen arabischen Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens sind erst der Anfang einer Dynamik, die in den kommenden Jahren wahrscheinlich alle derzeit noch diktatorisch regierten Staaten Westasiens und im Nahen und Mittleren Osten erfassen wird. Damit verändern sich auch regionale und weltpolitische Dynamiken in einer Weise, die der Bewegung der Blockfreien neue Bedeutung bescheren dürfte.

Der ägyptische Präsident Mohammed Mursi hat die iranische Führung öffentlich brüskiert. In einer Rede zur Eröffnung des Gipfels der Blockfreien Staaten (NAM) am Donnerstag in Teheran sagte Mursi, die Unterstützung der Revolution in Syrien sei „eine moralische Pflicht sowie eine politische und strategische Notwendigkeit“. Die syrische Führung, deren engster Verbündeter der Iran ist, bezeichnete er als Unterdrückerregime, das jede Legitimität verloren habe.

Mursi verglich den Aufstand der syrischen Regimegegner gegen Präsident Baschar al-Assad mit der Intifada der Palästinenser. Den Gipfelteilnehmern redete er ins Gewissen: „Das Blutvergießen in Syrien ist eine Last und eine Verantwortung, die wir auf unseren Schultern tragen und wir müssen erkennen, dass es nicht enden wird, wenn wir nicht alle gemeinsam etwas dagegen unternehmen.“ (dpa)

Das zeigt bereits der aktuelle Gipfel im Iran. Mit dem Islamisten Mohammed Mursi reist erstmals seit dem Bruch zwischen Kairo und Teheran vor über 30 Jahren ein ägyptischer Präsident in die iranische Hauptstadt. Mursi will die von den USA verordnete internationale Isolation Irans durchbrechen – aus der Überzeugung, dass diese Isolation die Lösung der Konflikte in Syrien, um das iranische Atomprogramm sowie zwischen Israel und Palästinensern behindert. Aus diesem Grund flog auch UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon nach Teheran – trotz heftiger Kritik aus Washington und Tel Aviv.

Innerislamische Konflikte verhindern Geschlossenheit

Wenn das iranische Regime die kürzliche Wahl Mursis zum ägyptischen Präsidenten allerdings zu einem „islamischen Erwachen“ hochjubelt und zugleich eine Führungsrolle in der Blockfreien-Bewegung reklamiert, ist das schiere Propaganda. Tatsächlich dürften die innerislamischen Konflikte zwischen Sunniten und Schiiten auf absehbare Zeit verhindern, dass die islamischen Staaten im Nahen und Mittleren Osten innerhalb der Blockfreien-Bewegung geschlossen auftreten.

Daher ist von dem Teheraner Gipfel kaum ein gemeinsamer Vorschlag zur Lösung des Syrien-Konflikts zu erwarten. Doch kann der Gipfel die Voraussetzungen für eine künftig größere Geschlossenheit verbessern.

Dabei ist noch keineswegs ausgemacht, dass das iranische Regime, das auf dem Gipfel für drei Jahre den Vorsitz der Bewegung übernimmt, 2015 noch an der Macht ist. Als auf dem Kairoer Gipfel im Herbst 2009 Husni Mubarak zum Vorsitzenden gekürt wurde, ahnte auch niemand den Sturz des ägyptischen Diktators knapp 18 Monate später. Eine Demokratisierung der Regionalmacht würde ähnliche Prozesse in Saudi-Arabien und den Golfstaaten beschleunigen. Das wird zu einer Stärkung der Blockfreien-Bewegung führen.

Auch der Aufstieg Chinas zur Weltmacht in Konkurrenz zu den USA könnte der Blockfreien-Bewegung zu neuer Bedeutung verhelfen. So spüren vor allem die Staaten Afrikas und Asiens mit Ölvorkommen und anderen strategischen Ressourcen immer stärker den Druck der widerstreitenden Interessen Washingtons und Pekings. Manche dieser Staaten fühlen sich erinnert an die Zeit der amerikanisch-sowjetischen Konflikte und Stellvertreterkriege auf ihrem Territorium und vor ihren Küsten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.