Film „Rum Diary“: Hochglanzwelt statt Gonzowahn

Ein saufender Journalist im Puerto Rico der Sechziger: Bruce Robinsons Verfilmung des Debütromans von Hunter S. Thompson ist steril und wenig edgy.

Totale statt Subjektivperspektive: Johnny Depp (links) in „Rum Diary“. Bild: Wild Bunch Germany

Wenn man sich als Filmregisseur ein Werk des großen Gonzo-Journalisten Hunter S. Thompson vorknöpft, sollte man bereits mit der Kamera Position beziehen, ganz nach dem Motto „die Einstellung ist die Einstellung“. Bei den Gonzos ist das „Ich“ ganz groß geschrieben, eine radikal subjektive Sicht auf den Gegenstand der journalistischen Arbeit gefragt. Man könnte auch von einer individualistisch-investigativen Herangehensweise sprechen.

Doch was macht Bruce Robinson in seiner Verfilmung von Hunter S. Thompson erstem Roman „Rum Diary“? Er sucht die Deckung der Totalen. Und nicht nur das.

Bei ihm sieht Puerto Rico wie die Hochglanzwelt eines Reiseprospekts aus. Das Drecksloch, in dem sich Thompsons Alter Ego, der amerikanische Journalist Paul Kemp (Johnny Depp), niederlässt, scheint einem Lehrbuch für Filmausstatter entsprungen: hier die schäbige Wand, da der pittoresk verteilte Müll auf dem Boden, die klapprigen Möbel wirken farblich sorgfältig aufeinander abgestimmt, von dem Bad mit den rostigen Hähnen geht ein wunderschön nostalgischer Glanz aus.

Durch diese steril abgeranzte Welt schickt Robinson seinen zumeist angetrunkenen Helden auf Recherchetour für eine lokale Zeitung. Dabei bleibt der besondere Status des Freistaates Puerto Rico eher Kulisse. Kemp soll einen Artikel über die korrupten Machenschaften eines US-amerikanischen Baulöwen schreiben, viel lieber besäuft er sich aber mit Cocktails auf dessen feudalem Anwesen am Meer und verliebt sich in dessen bildschöne Freundin. Die Puerto Ricaner wiederum rennen hin und wieder als aggressive Kampfhunde durchs Bild, die Jagd auf reiche US-Amerikaner machen. Oder sie beeindrucken mit entblößten muskulösen Oberkörpern deren Frauen.

Schon in Terry Gilliams Adaption von „Fear and Loathing in Las Vegas“ gab Johnny Depp das Alter Ego des Ober-Gonzos Thompson. Doch dessen permanenter Drogenrausch wurde hier zum Vergrößerungsglas der Spielerstadt, die so zu ihrer verzerrten Wahheit fand, als Ort der kapitalistischen Perversion.

In Robinsons Film mag Johnny Depp noch so tief in die Rumflasche schauen, neue Wahrheiten erblickt er nicht auf deren glasigem Grund. Vielmehr ist „Rum Diary“ ein ziemlich fades Rip-off der Hangover-Filme: Auch hier geht es nur darum, sich durch Exzesse letztlich zu domestizieren, um die schöne Frau vor den Traualtar zu bekommen.

„Rum Diary“. Regie: Bruce Robinson. Mit Giovanni Ribisi, Johnny Depp, Aaron Eckhart, USA 2011, 120 Min.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.