Debatte über Gewaltprävention: Neue Sperrstunde in Kiel?

Um gegen Gewaltdelikte auf der Kieler Partymeile Bergstraße vorzugehen, prüfen Polizei und Stadt Sperrzeiten sowie ein Glasverbot nach Vorbild der Reeperbahn.

Erregte Gemüter auch anderswo: Demo gegen eine Sperrstunde in Frankfurt am Main. Bild: dpa

HAMBURG taz | Die Kieler Bergstraße wird zu einem immer gefährlicheren Pflaster. Das jedenfalls berichten verschiedene Medien unter Berufung auf die Kieler Polizei. Von fliegenden Glasflaschen und Gewaltdelikten ist die Rede. Diskutiert wird nun eine Sperrstunde für Clubs und Diskotheken auf der Partymeile von vier bis sechs Uhr morgens. Die Polizei wollte sich dazu der taz gegenüber nicht weiter äußern. „Die Themen Glasverbot und Sperrstunde befinden sich aktuell noch in der Diskussion zwischen der Stadt und der Polizeidirektion“, so Matthias Arend von der Kieler Polizei.

„Wir prüfen, ob eine Sperrzeit gewisse Entwicklungen verhindern könnte“, sagt der Kieler Stadtsprecher Tim Holbein. Im Gaststättengesetz stehe, dass Wirte „Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit“ sowie „schädliche Umwelteinwirkungen und Gefahren oder Belästigungen für Bewohner oder die Allgemeinheit“ abwenden müssten. Man könne den Gaststätten also Auflagen machen.

Indes ist sich nicht einmal jeder sicher, ob es ein Problem gibt. „Wenn viele Menschen und Alkohol auf engem Raum zusammenkommen, dann ist Gewalt nicht immer zu vermeiden“, so der Kreisvorsitzende der FDP Kiel, Sebastian Blumenthal, „das bedeutet aber noch kein Sicherheitsproblem für die Stadt.“ Die FDP in Kiel halte prinzipiell nichts von Sperrstunden.

Seit 2005 gibt es in Schleswig Holstein keine Sperrstunde mehr. Im Zuge der Entbürokratisierung sollten damals überflüssige Regelungen abeschafft werden.

In Niedersachsen können die Kommunen selbst über Sperrstunden entscheiden. Sperrstunden sind dort die Ausnahme.

In Hamburg und Bremen gibt es keine Sperrstunde.

Auch Peter Bartsch, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands Schleswig Holstein, glaubt nicht, dass es gerade in Kiel besondere Probleme gäbe. Je höher der Alkoholkonsum sei, desto höher die Gefahr von Straftaten. „Man muss den Menschen selbst freistellen, wie lange sie offen haben. Alles andere wäre ein Schritt zurück in die Steinzeit.“

Vor Ort zeigt man sich ähnlich skeptisch. „Jede Bahnhofsregion hat beispielsweise vermehrt Polizeieinsätze. Dagegen ist es hier eher friedlich“, sagt Henning Puls, Besitzer von drei Clubs auf der Bergstraße. Laut Kai Hellebrandt, dem das dortige Luna gehört, würde eine Sperrstunde Probleme verlagern und Clubs in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen. „Hauptzeit ist bei uns von zwei bis sechs Uhr, da würde fast die Hälfte der effektiven Zeit für unsere Wochenumsätze wegfallen.“ Beide Clubbesitzer schlagen präventive Maßnahmen wie stärkere Polizeipräsenz oder ein Glasflaschenverbot vor.

Letzteres scheint auch rechtlich gesehen einfacher. Flaschen können als Waffen gesehen und somit laut Stadtsprecher Holbein verboten werden: „Anderswo soll das ja funktionieren.“ Prominentes Beispiel: die Reeperbahn. Dort ist seit 2009 am Wochenende zwischen 22 und 6 Uhr Glas verboten. Der Hamburger Senat zog im Mai eine positive Bilanz. So gebe es im Halbjahr nur noch 27 statt 34 Gewalttaten mit Glasbehältern an Wochenenden.

Michael Wagner, innenpolitischer Sprecher der SPD in Kiel, bezweifelt, dass diese Verbote viel verändern. „Wir müssen uns fragen: woher kommen Gewalt und übermäßiger Alkoholkonsum?“, sagt er. „Es sollte vermieden werden, jetzt Einzelpunkte herauszugreifen und sich einfache Lösungen zu suchen.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.