Bremen in Europa: Lob vom Chef, in eigener Sache

Bremen bilanziert mit warmen Worten seine Arbeit in Brüssel seit 1987, beschließt eine neue Strategie und versucht, mehr Transparenz in der Förderung zu schaffen

Bremens Haus in Brüssel Bild: EU-Vertretung der Freien Hansestadt Bremen

BREMEN | taz Wenn von Europa die Rede ist, dann meistens von einer „großen Idee“. Also: in den Sonntagsreden. Ansonsten aber geht es in der Regel um Geld. Das ist auch in Bremen nicht anders.

Wenn SPD-Bürgermeister Jens Böhrnsen nun Bilanz zieht über das, was die EU für Bremen bedeutet, dann lobt er vor allem die „sehr erfolgreiche“ Akquise von Geldern. Freilich nicht ohne zu sagen, dass Europa „mehr“ sei als der Euro oder als eine „Wirtschafts- und Bankenunion“. Dann redet er wieder über Geld: Über 350 Millionen Euro sind es aktuell, die aus Brüssel nach Bremen überwiesen werden, und das umfasst nur die Gelder aus den drei großen Fördertöpfen, die Jahre von 2007 bis 2013. Und gerade bei der Forschung – also dort, wo Mittel eher nach Leistung vergeben werden – „bekommt Bremen sehr viel mehr, als es der Größe unseres Bundeslandes entspricht“, sagt Christian Bruns, der Leiter der Bremer Dependance in Brüssel.

Die wurde vor genau 25 Jahren gegründet, mit Karin Jöns als einziger Mitarbeiterin. Heute arbeiten dort neun Leute. Jöns war später lange Europaparlamentarierin für die SPD, ehe sie bei der letzten Wahl von der eigenen Partei abgeschoben wurde. Doch immerhin war Bremen 1987 eines der ersten fünf Bundesländer, die überhaupt in Brüssel vertreten waren. Im Jahr zuvor hatte Bremen 18 Millionen Mark bekommen, von der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, wie sie damals noch hieß.

In der aktuellen EU-Förderperiode, die von 2007 bis 2013 dauert, fließen 142 Millionen Euro aus dem Regionalfonds (EFRE) nach Bremen, weitere 89 Millionen aus dem Sozialfonds (ESF). Beide werden nach Bedürftigkeit vergeben. Für seine Forschung bekommt Bremen aktuell 123,4 Millionen Euro.

Aus dem ESF bekam Bremen von 1994 bis 1999 insgesamt 105, bis 2006 weitere 140 Millionen Euro.

Für Regionalförderung flossen 70 Millionen von 1994 bis 1999, bis 2006 nochmals 113 Millionen.

Wofür genau das Geld in Bremen ausgegeben wird, ist auf einer neuen Website nachzulesen, die systematisch korrekt, doch etwas umständlich www.eu-projekte.bremen.de heißt. Rund 700 Projekte sind dort gelistet, in einer eigenen Datenbank. Nur wenige, sagt Böhrnsen, arbeiten so transparent.

Dass überhaupt der Präsident des Senats selbst es ist, der über Europa spricht, ist ein Novum. Noch in der letzten Legislaturperiode war es der Senator für Bau, Umwelt und Verkehr, der hauptberuflich zuständig war. Seinem Nachfolger wurde der Bereich entzogen: Europa ist jetzt wieder Chefsache. Eine „kluge Entscheidung“, sagt Böhrnsen, und dass die Mehrheit der Länder das so handhabe. „Das ist eine Stärkung der EU-Politik“, sagt Ulrike Liebert, Professorin am Centre for European Studies der Uni Bremen. Auch Helga Trüpel, die grüne Europaparlamentarierin, findet diese Zuordnung „in gewisser Weise richtig“. Auch wenn sie, aus ihrer Sicht, „keinen großen Unterschied“ macht. Aber Politik besteht ja oft aus Symbolen. Bremen, seine Bürgerschaft, sagt Trüpel, sind „sehr europafreundlich“. Und das kleinste Bundesland des größten Mitgliedstaates in Brüssel „sehr aktiv“. Das sieht auch Liebert so.

Informationen zu Bremer EU-Projekten und -Netzwerken gibt es unter www.eu-projekte.bremen.de,

Bremens Europaabteilung findet sich unter http://www.europa.bremen.de/

und das Bremer EU-Infozentrum findet sich hier: www.europa-in-bremen.de

Zuhause hat der Senat soeben eine neue „EU-Strategie“ beschlossen, sie löst jene ab, die 2008 verabschiedet worden war – und handelt wieder vor allem von Wirtschaftspolitik: Es geht um die „Maritime Sicherheit“, die „Stärkung des Luft- und Raumfahrtstandortes“, die „Förderung der erneuerbaren Energien“. Immerhin ist geplant, ein europapolitisches Jugendkonzept für Bremen vorzulegen. Außerdem will das Land mit EU-Mitteln Jugendliche und benachteiligte Menschen noch stärker fördern. Zudem müssten „soziale Standards“ europaweit festgelegt werden, sagt Böhrnsen. Also etwa ein Mindestlohn, wie Bremen ihn kürzlich beschlossen hat. Liebert lobt die neue EU-Strategie Bremens als „substantielle Verbesserung“ – trotz ihres stark wirtschaftspolitischen Fokus. Auch, weil sie „ein klares Bekenntnis zu Reformen“ enthalte.

Bruns redet derweil „von der größten Krise“, die die EU je sah, von „viel Anlass zu Besorgnis“. Aber, sagt Trüpel, wenn am Ende Europa „selbstverständlicher“ wäre, nicht mehr etwas Besonderes, irgendwo zwischen Innen- und Außenpolitik – dann wäre das „ein positiver Effekt“.

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