Kommentar Unterbindungsgewahrsam: Falsche Priorität

Das Verwaltungsgericht Hannover ignoriert mit seinem Urteil im Prozess um den arrestierten Fußballfan den Europäischen Gerichtshof - im Interesse der Polizei.

Es geht nicht um Richterschelte. Natürlich sollte jedes Verwaltungsgericht in seinen Urteilen frei sein und sich nicht an Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts gebunden fühlen. Sonst würde sich an antiquierter Rechtsprechung nichts ändern. Doch in dem hannöverschen Fall ist mit Pragmatismus im Interesse der Polizei gerichtet und an Vorschriften festgehalten worden. Sicher ist es Aufgabe der Polizei, maskierte und bewaffnete Personen, die vor einer Bank stehen, festzunehmen, bevor sie Geisel nehmen. Im konkreten Fall geht es aber um präventive Eingriffe in Grundrechte auf der Basis von Spekulationen.

Denn nach der Logik des Gerichts müsste die Polizei auf dem Hamburger Kiez jede Gruppe grölender und besoffener Männer in den Unterbringungsgewahrsam nehmen, weil von ihnen Straftaten wie sexuelle Nötigung, Sachbeschädigung, Körperverletzung bis hin zu Vergewaltigung ausgehen könnten. Wer sich auf eine Demonstration begibt oder ein Fußballspiel besucht, ist aber nicht gleich ein potenzieller Straftäter.

Und der Menschenrechts-Gerichtshof ist kein Laber-Club. Er hat die Menschenrechte in Europa zu wahren. Sein Urteil hat Gewicht, wie sich bei den Themen Antidiskriminierung und Sicherungsverwahrung gezeigt hat. Wenn ein Staat europäische Menschenrechts-Grundsätze nicht ernst nimmt, weil sie die eigenen Polizeigesetze infrage stellen, begibt er sich auf das Niveau einer Bananenrepublik.

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Jahrgang 1956, Seit 1983 bei der taz – zuerst bei der taz.hamburg und jetzt bei der taz.nord in Hamburg. Ressorts: Polizei, Justiz, Betrieb und Gewerkschaft. Schwerpunkte: Repression, progressive Bewegungen und Widerstand gegen Gentrifizierung

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