Krähen in Berlin: Der Fall Karlchen

Die S-Bahn wollte eine Krähe sterben lassen. Der Arbeitskreis Humaner Tierschutz zeigte sich empört und rettete das drei Wochen alte Tier.

Karlchen geht es wieder gut. Er wird nun gepflegt. Bild: dapd

Nicht nur für die Luftfahrt können Vögel zur Gefahr werden. Auch der Bahn kommen die Federtiere immer wieder in die Quere. Vor wenigen Tagen soll gar Vogelflug einen Kurzschluss in der Oberleitung verursacht haben – was eine 24-stündige Störung der ICE-Strecke zwischen Berlin und Hannover auslöste. Auch auf Berliner Gleisen werden immer wieder verletzte Tiere gefunden. Im Fall der S-Bahn sehen die internen Regelwerke für diese Situationen vor, dass der Strom „im Bedarfsfall“ abgeschaltet wird, damit die Tiere sicher geborgen werden können. Doch das klappt nicht immer, wie der Fall Karlchen zeigt.

Mitte vergangener Woche war die drei Wochen alte Krähe aus ihrem Nest auf einem Stahlträger im Ostbahnhof ins S-Bahngleisbett gefallen. Unzählige S-Bahnzüge waren bereits über das Tier hinweggerollt, ehe es von einer Bahnmitarbeiterin entdeckt wurde. Doch die alarmierte Feuerwehr musste nach kurzer Zeit wieder abrücken, weil sich die S-Bahn laut dem Arbeitskreis Humaner Tierschutz geweigert habe, den Strom abzustellen. Nach Angaben des Arbeitskreises, von dem eine Aktivistin herbeigerufen wurde, verwies die Bahn auf zu hohe Kosten. Schließlich sprang die Tierschützerin selbst auf die Schienen und rettete das Tier aus seiner misslichen Lage.

Der Arbeitskreis zeigte sich nach dem Vorfall empört. „Dafür zu werben, dass die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ein Beitrag zum Umweltschutz ist und gleichzeitig ein unter Naturschutz stehendes Tier regelrecht verrecken zu lassen, passt nicht zusammen“, sagte Sprecher Stefan Klippstein. Seit Karlchens Rettung hätten Mitglieder des Arbeitskreises rund 500 Protest-Mails an die Bahn geschickt.

Laut der Deutschen Bahn, zu der die Berliner S-Bahn gehört, spielen indes wirtschaftliche Erwägungen bei der Bergung von Tieren keine Rolle. Nachforschungen zum Karlchen-Fall hätten ergeben, „dass die für die Entscheidung einer Stromabschaltung verantwortlichen Mitarbeiter nicht angesprochen wurden“, sagte DB-Sprecher Burkhard Ahlert der taz. Die Bahn sei froh darüber, dass das Tier geborgen werden konnte und die Tierschutzaktivistin unverletzt geblieben sei. „Die Aktion darf denoch kein Vorbild sein“, warnte Ahlert, weil sowohl fahrende Züge als auch die Stromschienen der S-Bahn lebensgefährlich seien.

Die Schwarm-Aktion der Tierschützer hat offenbar dennoch Wirkung gezeigt. Am vergangenen Donnerstag bot die Bahn den Aktivisten ein Gespräch an, um die existierenden Regelwerke und die Kommunikationswege noch einmal zu überprüfen und gegebenenfalls zu verbessern. Klippstein hofft, dass in Zukunft die kurzfristige Abschaltung des Stroms bei Tierbergungen schneller funktioniert. „So etwas lässt sich in zwei Minuten lösen“, sagte er der taz.

Karlchen geht es unterdessen besser. Die Krähe befindet sich in Pflege, in drei bis vier Wochen soll sie wieder ausgewildert werden. Karlchenfoto: dapd

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