Wimbledon-Finale: Die Schwester ist schuld

Tennis wäre ohne sie wie „Dallas“ ohne J.R.: Serena Williams gewinnt zum fünften Mal in Wimbledon – und glaubt nun, noch mehr Grand-Slam-Titel holen zu können.

Auch ein Rücken, undsoweiter. Serena Williams mit ihrer Trophäe. Bild: dpa

WIMBLEDON taz | Die Feier musste mit Verspätung beginnen. Statt auf einem Tisch zu tanzen – wie vor ein paar Jahren bei einer ähnlichen Gelegenheit –, stand Serena Williams spät am Abend immer noch auf dem Centre Court. Nachtschicht mit Schwester Venus stand auf dem Programm: Kurz vor elf schnappten sich die beiden den Doppeltitel – wie jedes Mal bei einem gemeinsamen Auftritt im Finale eines Grand-Slam-Turniers.

Es war jedenfalls wieder so ein Tag, an dem man feststellen musste, dass das Frauentennis ohne die Jüngste aus dem Hause Williams in jeder Hinsicht langweiliger wäre. So wie „Dallas“ ohne J. R.: Die US-Serie wird bekanntlich fortgesetzt – ebenso wie die Serie „Serenas bunte Welt in Wimbledon“. Nach der Silberschale, die sie noch vor dem Doppel-Endspiel am Samstag gegen die zu Beginn überforderte, aber nach einer Regenpause besser spielende Polin Agnieszka Radwanska (6:1, 5:7, 6:2) gewann, ist sie nun stolze Besitzerin von 14 Grand-Slam-Titeln im Einzel – mehr holte auch der von ihr heftig verehrte Pete Sampras nicht.

Diese Verehrung geht so weit, dass sie ihrem Taschenhund Jacquie den Mittelnamen Pete gegeben hat. Jacquie Pete hat allerdings vermutlich keine Ahnung, dass Frauchen fast so gut aufschlagen kann wie der Mann, dessen Namen er trägt. Mitte des dritten Satzes servierte Williams vier Asse in einem einzigen Spiel. Insgesamt schlug sie in 17 Sätzen während des Turniers 102 – und damit vier mehr als der Spitzenreiter bei den männlichen Kollegen, der deutsche Profi Philipp Kohlschreiber.

Wie immer stellte sie sich für die Siegerfotos routiniert und filmreif in Positur – auch das beherrscht sie, als sei sie in Los Angeles nicht im Armenviertel Compton aufgewachsen, sondern weiter oben in Hollywood. Aber bei aller Begeisterung für den großen Auftritt gönnte sie sich an diesem Tag auch leise Töne, als sie noch mal darüber sprach, wie schlecht es ihr ging vor zwei Jahren nach der lebensbedrohenden Lungenembolie und den beiden Operationen am Fuß. „Ich war völlig am Boden, am tiefsten aller Tiefpunkte. Vor einem Jahr war ich fast die Nummer 200, jetzt wieder zurückzukommen und zu gewinnen ist einfach toll. Es war eine unglaubliche Reise für mich.“

Eine Reise, die ihr viele nicht mehr zugetraut hatten. Bei den US Open im vergangenen Jahr hatte sie im Finale überraschend gegen Sam Stosur aus Australien verloren, in Melbourne zu Beginn dieses Jahres in der vierten Runde gegen Jekaterina Makarowa und vor ein paar Wochen in Paris sogar in der ersten Runde gegen die Französin Virginie Razzano.

„Aber hallo“

Dass es an der Physis für große Siege nicht fehlt, zeigt ein Blick auf ihre Figur – so austrainiert wirkt sie dieser Tage. Mit ihren 30 Jahren ist Serena Williams die älteste Wimbledon-Siegerin seit Martina Navratilova 1990, aber auf die Frage, ob 30 vielleicht heutzutage ein Alter wie früher 20 sei, machte sie ganz große Augen und prustete los: „Aber hallo – na klar.“

Tatsächlich glaubt nun nicht nur Williams selbst, dass auch 18 Grand-Slam-Titel nicht außer Reichweite seien. So viele gewannen Navratilova und Chris Evert. John McEnroe, gewissermaßen der J. R. des Tennis, verstieg sich sogar zunächst zu der Behauptung, Williams sei die Beste, die das Frauentennis je gesehen habe. Als er dann aber realisierte, dass man vielleicht Steffi Graf mit ihren 22 Titeln nicht vergessen sollte, schränkte er seine Einschätzung vorsichtig ein: „Mein Gott – wow.“

Ja, eine Menge Superlative flog durch die regenschwere Luft, und man hat schon eine gewisse Vorstellung, wie die Sache in ein paar Wochen bei den Olympischen Spielen weitergehen könnte. Wenn sie zwischen einer Goldmedaille im Einzel und einer im Doppel wählen könnte, würde sich Serena Williams mit einiger Sicherheit für die im Doppel entscheiden. Sie sagt: „Ich weiß nicht, was ich hätte, wenn es Venus nicht gäbe. Ob ich einen großen Titel hätte oder überhaupt Tennis spielen würde. Ich hab immer vor allem das haben wollen, was Venus schon hatte.“ Typisch kleine Schwester eben. Unersättlich, lebenslang.

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