Debatte Iran: Völlig falsche Machtpolitik

Die Atomgespräche mit dem Iran scheitern vor allem, weil die USA keine ernsthafte Diplomatie betreiben. Diese Strategie schadet ihnen selbst.

Gegen Iran gewappned: US-Präsident Obama. Bild: dapd

Seit die Atomgespräche mit dem Iran im April wieder aufgenommen wurden, mahnen Vertreter der USA, man dürfe Teheran nicht erlauben, auf Zeit zu spielen. Tatsächlich spielt die Obama-Administration auf Zeit. Die nämlich braucht sie, um das iranische Nuklearprogramm weiter zu sabotieren und – noch wichtiger – um den Regimewechsel im Iran voranzutreiben.

Die USA wollen gemeinsam mit den Europäern, den sunnitischen arabischen Partnern und der Türkei die Regierung in Syrien absetzen. Der Fall des Verbündeten Assads würde die Islamische Republik empfindlich schwächen. Aber auch hierfür braucht es noch Zeit.

Da wundert es nicht, dass die Obama-Administration, kurz nachdem die Aufstände in Syrien begannen, den Rücktritt von Assad forderte. Routiniert gab man seiner Empörung über den Tod Tausender Ausdruck. Die eigentliche Aufmerksamkeit aber gilt nicht der syrischen Bevölkerung, sondern dem Projekt, im Mittleren Osten die dominante Kraft zu sein.

Flynt Leverett lehrt International Affairs an Penn State University. 2013 erscheint „Going to Tehran: Why the US Needs to Come to Terms With the Islamic Republic of Iran“.

Hillary Mann Leverett lehrt an der American University Washington, D. C. Gemeinsam mit Flynt Leverett hat sie den Blog „The Race for Iran“.

Das ist der wahre Grund dafür, dass Washington die Rebellen angeblich nur „mit zivilen Mittel unterstützt“ und sich zugleich weigert, Vorschläge zu erwägen, die die internen Konflikte Syriens moderieren könnten. Damit ließen sich das Leben von Menschen retten, nicht aber Assads Abgang vorantreiben. Aus alldem folgt: Wer den Regimewechsel im Iran anstrebt, kann bei den Atomgesprächen nur auf Zeit spielen.

„Legitimität eines Angriffs unterminiert“

Die frühere Pentagon-Mitarbeiterin Michèle Flournoy – sie berät Obama nun im Kampf um seine Wiederwahl – hat diesen Monat vor israelischem Publikum erklärt, es sei für die USA wichtig, erst alle diplomatischen Mittel auszuschöpfen, bevor sie den Iran angreifen. Die „Legitimität eines Angriffs“ würde sonst „unterminiert“. David Sanger von der NY Times berichtete kürzlich, Obama habe gleich zu Beginn seiner Amtszeit angeordnet, die „Cyberattacken auf die iranischen Nuklearanlagen zu intensivieren“.

Auch von Wikileaks publizierte Depeschen zeigen, dass Obama Diplomatie stets eingesetzt hat, um internationale Unterstützung für verschärfte Sanktionen gegen Iran zu gewinnen, die auch die Ölexporte einschließen. Und was ist der Zweck verschärfter Sanktionen? Laut Washington Post sollen damit die Iraner darin bestärkt werden, gegen ihre Regierung vorzugehen.

Aber die USA werden mit ihrer Strategie scheitern. Einfach zu fordern, dass der Iran seine Nuklearaktivitäten einstellt, und ihn andernfalls stärker unter Druck zu setzen, das wird die Position der USA im Mittleren Osten nicht stärken. Im Gegenteil.

Bislang haben Sanktionen und militärischen Drohungen Teheran nur darin bestärkt, die Urananreicherung voranzutreiben. Trotz des Drucks seitens Washingtons und Tel Avivs ist die Zahl der Zentrifugen in den letzten fünf Jahren von 1.000 auf 9.000 gestiegen. Teheran hat indessen wiederholt angeboten, im Gegenzug strengere Kontrollen zu akzeptieren. Der Ansatz von Iran lautet: mehr Transparenz ihrerseits für die Zuerkennung des Rechts, Uran anzureichern, andererseits. Ihn zurückzuweisen garantiert das Scheitern der Gespräche – und die Machtposition der USA wird regional und global weiter erodieren.

Warum sind die USA so stur?

Auch die Administration unter George W. Bush hatte sich geweigert, eine überwachte Anreicherung im Iran zu akzeptieren. Sie weigerte sich sogar, überhaupt mit Teheran zu sprechen solange es sein Programm nicht ganz eingestellt hat. Iran hat sich davon nicht beeindrucken lassen, und Umfragen zeigen, dass die Politik der USA Teheran in der Region neue Sympathien eingebracht hat.

Warum aber stellen sich die USA so stur? Das Problem aus Sicht der USA ist dies: Das Recht des Iran auf Urananreicherung anzuerkennen würde bedeuten, die Islamische Republik als legitime Entität anzuerkennen mit legitimen nationalen Interessen, als eine aufstrebende regionale Macht, die sich der Außenpolitik der USA eher nicht unterwerfen dürfte (wie etwa Ägypten unter Sadat oder Mubarak). Es würde bedeuten, sich mit dem Iran so arrangieren zu müssen, wie die USA sich mit der Republik China arrangiert haben, damals, in den frühen 70er Jahren.

Doch statt beweglicher zu werden, bleibt Amerikas Iranpolitik auch unter Obama in einer Illusion stecken ähnlich der, die seine Chinapolitik über zwei Jahrzehnte bestimmte, nachdem dort die Revolutionäre 1949 die Macht übernommen hatten. Auch damals dachte Washington, es könnte China irgendwie isolieren, an die Wand drücken und schließlich die politische Ordnung stürzen, indem es die Massen gegen die Kommunisten mobilisierte.

Auch hier glaubten die USA, nach der langen Kolonisierung durch den Westen schließlich einen unabhängigen, aber ihnen geneigten Nationalstaat etablieren zu können. Es hat mit China nicht funktioniert, und es wird mit Iran auch nicht funktionieren. In einer der folgenreichsten Initiativen in der Geschichte der amerikanischen Diplomatie haben Präsident Nixon und Henry Kissinger diese Realität schließlich akzeptiert. Leider fehlt dem Washington von heute noch das Nixon’sche Moment.

Schlimmer als das Irak-Debakel

Obama hätte im Mai 2010 einen Atomvertrag mit Iran haben können. Brasilien und die Türkei hatten einen Deal mit Iran ausgearbeitet, der vorsah, dass Iran sein gering angereichertes Uranium ins Ausland schickt und im Gegenzug neues Benzin für seinen Forschungsreaktor in Teheran erhält. Doch Obama verwarf den Deal, da er das Recht des Iran auf Anreicherung grundsätzlich anerkannte. (Dass dies der Hauptgrund war, bestätigte der Architekt der Iranpolitik, Dennis Ross, zu Beginn des Jahres.)

2012, wo sich die Regierungen im Mittleren Osten etwas mehr um die Bedürfnisse der Bevölkerung kümmern müssen – siehe Ägypten und Irak –, sind sie weniger bereit, die Verteidigungsstrategie der USA mitzutragen. Das zwingt Washington dazu, etwas zu tun, worin es schon lange keine Übung mehr hat: gegenüber regional wichtigen Staaten eine diplomatische Linie zu verfolgen, die auf Geben und Nehmen beruht. Wollen die USA ihren Niedergang aufhalten, dann müssen sie auf die Islamische Republik zugehen (genauso wie sie ihre Position in den 70ern wieder stärken konnten, indem sie sich auf China zubewegten).

Stattdessen hält, dreieinhalb Jahre nachdem George W. Bush das Weiße Haus verlassen hat, sein Nachfolger daran fest, dass der Iran das amerikanische Diktat akzeptieren oder eben mit Angriffen rechnen müsse.

Auf diese Weise legt Obama die USA auf einen Weg fest, der wahrscheinlich in einen nächsten Krieg münden wird. Der Schaden, der ein Krieg gegen Iran der strategischen Position der USA zufügen wird, wird das Irak-Debakel vergleichsweise trivial aussehen lassen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.