Kolumne Blicke: Nazis, Moschee, Paranoia

Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Er ist einfach nicht menschenverachtend genug. Mediterrane Speisen machen die Lage nicht besser.

Dieser Tage ist mir wieder mal klar geworden, wo ich überall noch nicht war: In den USA, in Israel, im Puff, bei einem Punkkonzert, in einer Moschee. All diese Themen sind grundsätzlich kolumnefähig, aber die Moschee ist wohl die größte Klickhure.

Kürzlich schrieb mir ein Leser, er fände meine Textchen hübsch geschrieben – im Gegensatz zu denen der Kollegin Kübra Gümüsay. Ich bedankte mich artig und sah mich dann aber gezwungen, zu betonen, dass ich in der Einschätzung der Texte der Kollegin Gümüsay mit ihm nicht konform ginge. Warum tat ich das?

Aus Paranoia. Ich wollte nicht dem Lob eines Islamhassers (ein Hobby, das seine vermutlich sozial- oder muttischmarotzerischen Buben ausfüllt, so viel wie die im Netz unterwegs sind) auf den Leim gehen; und tat damit dem Leser möglicherweise großes Unrecht.

Mein Interesse am Koran, am Islam und dem anderen Tamtam ist äußerst begrenzt. Dass es keinen Gott gibt, steht bereits in der Bibel: „Am Anfang war das Wort“ – also die Gabe, die den Menschen vom Tier unterscheidet; und da es schon ganz zu Beginn der Menschheitsgeschichte schwierig war, nette und intelligente Gesprächspartner zu finden, sah sich das kluge Tier Homo eben woanders um.

Ich bin noch aus der Generation, die gelernt hat, dass man über die eigene Schande redet. Insofern gehört der Islam – nehmt alles nur in allem – für mich noch nicht so richtig zu Deutschland: Er ist einfach nicht menschenverachtend genug.

Aber sensibilisiert bin ich durch Sachen wie die Leserzuschrift schon. Es war an einem strahlenden, doch sehr frühen Morgen, dass mein Sohn mir ein Dokument zur Unterschrift vorlegte. Es ging um die Teilnahme an einem Schulfest im grünen Osten der Stadt Berlin, und neben all den Sachen, die man auf solchen Zetteln einträgt und ankreuzt stand da auch: „Mediterrane Speisen“ seien von den Eltern selbst zu stellen.

Döner selbst mitbringen? Nur Wurst ohne halal im Angebot? Oder ist „mediterran“ das neue Vegetarisch? Ich unterschrieb das Ding und schlürfte meinen Espresso weiter.

Als ich mir an einem Sonntag mein Sonntagsblatt B.Z. kaufte, zeigte der Kioskmann auf die Titelseite: „Da bin ich.“ Er hatte bei der Beerdigung von Burak B. den Sarg getragen. Burak B. wurde in der Nacht zum 5. April auf offener Straße erschossen, Täter unbekannt.

Die Berliner Polizei machte im Anschluss mal wieder alles mögliche falsch, aber jetzt gibt es eine Öffentlichkeit, die sie darauf festnagelt: Wir leben in Nach-NSU-Zeiten, und „Taten haben das Gute, dass sie zur Stellungnahme zwingen“, schrieb Ernst Jünger 1929 – dazu mehr im zweiten Teil dieser Kolumne in knapp zwei Wochen. Im Kleinen war es so, dass ich mit meinem Kioskverkäufer zum ersten Mal über das redete, was uns interessieren muss: Das Zusammenleben in unserem Viertel, Nazis, Mafia.

Bis ich sechs war, habe ich nur mit türkischen Kindern gespielt, ich war nicht im Kindergarten. Damals haben wir über den Islam nicht geredet. Ich muss auch jetzt über den Islam nicht reden. Aber die Paranoia wäre ich gern los. Mediterran leben. Eben.

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Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.

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