Bezirksamtsleiter-Kandidat Andy Grote: "Total schmeichelhaft"

Neuer Bezirksamtsleiter von Mitte möchte der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Andy Grote werden. Bekäme er den Posten, würde er gerne "Dinge durchsetzen".

Hochhaus in Billstedt: Hier wohnen zwar viele Menschen, der Fokus liegt aber auf anderen Teilen des Bezirks. Bild: dpa

taz: Herr Grote, Sie gelten als aussichtsreichster Bewerber um das Amt des Bezirksamtsleiters Mitte. Was reizt Sie daran, Markus Schreibers Nachfolge anzutreten?

Andy Grote: Der Bezirk Hamburg Mitte ist der spannendste Ort, um Politik zu machen und in einer Verwaltung zuständig zu sein. Das Bezirksamt hat unmittelbare Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten, was Lebensverhältnisse von Menschen betrifft. Von der sozialen Infrastruktur der Stadtteile über Stadtplanung, Bauplanung, Jugendhilfe bis hin zur Stadtteilkultur und dem öffentlichen Raum. Nach zehn Jahren als Abgeordneter, in denen ich erklärt habe, was passieren müsste und wie es sein sollte, könnte ich jetzt Dinge tatsächlich umsetzen.

Und Mitte ist da besonders?

Es gibt nirgendwo eine breitere Mischung von faszinierenden Stadtteilen und Orten. Mit der Innenstadt, St. Pauli und St. Georg, aber auch Stadtteilen wie Billstedt und Horn, auf denen der Fokus normalerweise nicht so liegt, in denen aber die meisten Menschen wohnen. Und natürlich Wilhelmsburg, wo wir im nächsten Jahr eine internationale Bauausstellung haben und wo man fragen kann, was passiert denn danach und was bleibt der Bevölkerung dann eigentlich an dauerhaftem Nutzen von der IBA.

Sie wollen die Stadtentwicklungsstrategie in Wilhelmsburg weiterführen?

Wenn man alle mit der IBA in Zusammenhang stehenden Investitionen verschiedenster öffentlicher und privater Beteiligter zusammenrechnet, dann sind wir bei fast einer Milliarde Euro. Es kann nicht sein, dass das alles in einem Jahr investiert wird und es danach nicht weitergeht. Natürlich muss man gucken, welche für die Bevölkerung nachhaltig wichtigen Qualitäten durch das IBA-Projekt angelegt sind und wo man anknüpfen muss. Ganz zentral ist die Bildungsinfrastruktur, davon muss der Stadtteil weiter profitieren. Aber auch mit dem Wilhelmsburger Inselpark und bei der Entstehung neuer Quartiere ist einiges angeschoben worden.

Wo sehen Sie Handlungsbedarf?

Vor allem natürlich in der Jugendhilfe. Da haben wir es in der Vergangenheit nicht geschafft, die Strukturen so einzurichten, dass Kinder, die in behördlicher Obhut und Betreuung sind, nicht zu Schaden kommen. Das ist eine bedrückende Situation. Klar muss man da alle Verfahren, Abläufe und Instrumente auf den Prüfstand stellen und gucken, wie wir das verbessern können.

Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dem Tod von Chantal?

Ohne je einen Fuß in dieses Jugendamt gesetzt zu haben, ist es natürlich schwierig, da jetzt mit irgendwelchen konkreten Forderungen aufzulaufen. Man muss sich die Zeit nehmen und sich das sehr sorgfältig angucken. Grundsätzlich muss natürlich, auch wenn wir freie Träger einschalten, das Verfahren so strukturiert sein, dass die Verantwortung am Ende bei der staatlichen Stelle, also beim Jugendamt, liegt. Und das muss in der Lage sein, die Verantwortung richtig auszuüben. Wir müssen einen Weg finden, damit die Mitarbeiter in der Jugendhilfe zwei Anforderungen gerecht werden: Zum einen ist das der Aspekt der Hilfe, der immer mit Vertrauensverhältnissen zu Kindern, Jugendlichen und Familien zu tun hat, zum anderen ist es die Kontrolle. Beide Ebenen sollten stärker voneinander getrennt werden.

Das heißt, staatliche Institutionen sollten vor allem kontrollieren.

Es ist häufig eine unlösbare Anforderung, wenn eine Person oder eine Stelle den Auftrag hat, vertrauensvoll mit Familien, Kindern und Jugendlichen zusammenzuarbeiten, sie zu stärken und ihnen zu helfen, aber sie gleichzeitig in ihrer Fähigkeit in Frage stellt, für das Kindeswohl zu sorgen. Das ist ein Widerspruch. Den Kontrollauftrag hat es immer gegeben, der ist nur manchmal schwer mit dem Hilfeauftrag zu vereinbaren. Deshalb könnte es eine Möglichkeit sein, die behördlichen Zuständigkeiten stärker zu trennen.

Nach Schreibers Rücktritt wurde viel über das „System Kahrs“ und SPD-interne Strukturen gesprochen. Hat die Kritik Folgen?

Da muss man erst mal gucken, was da eigentlich kritisiert wurden. Natürlich ist Johannes Kahrs eine dominante politische Persönlichkeit in Mitte, der unangefochtene Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete. In der Jugendhilfe hat er aber alle Funktionen aufgegeben. Ich habe zu ihm ein ordentliches Verhältnis.

Was haben Sie sich vorgenommen, wenn Sie am 19. April gewählt werden sollten?

Ich weiß noch nicht einmal, wer die anderen Bewerber sind. Es ist zwar total schmeichelhaft, dass mich alle als aussichtsreichsten Kandidaten sehen. Vielleicht ist es auch eine machtpolitische Vermutung. Aber auch die anderen Kandidaten werden sich vorstellen und versuchen, die Fraktionen zu überzeugen.

Mit der Unterstützung der FDP?

Das weiß ich nicht. Natürlich ist es für jeden Bewerber gut, wenn er die stärkste Fraktion hinter sich hat. Man braucht für eine stabile Situation noch ein bisschen mehr. Ich habe die Hoffnung, dass da eine stabile Konstellation erreichbar ist.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.